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Krisenland Portugal vor Regierungswechsel?

5. Juni 2011

Mitten in der schweren Haushaltskrise ihres Landes wählen die Portugiesen ein neues Parlament. Und die Sozialisten von Regierungschef Socrates müssen sich wohl auf eine herbe Wahlschlappe einstellen.

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Jose Socrates (Foto: AP)
Jose Socrates: Schwere Zeiten für den SozialistenBild: AP

Fast zehn Millionen Wahlberechtigte im hochverschuldeten EU-Staat Portugal sind an diesem Sonntag (05.06.2011) zur Stimmabgabe aufgerufen. Eines steht jetzt schon fest: Die künftige Regierung muss das Ruder im Euro-Krisenland radikal herumreißen, um die Sparauflagen von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) umzusetzen. Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass diese schwere Aufgabe auf die jetzige Opposition zukommen wird.

Von Links nach Mitte-Rechts

Pedro Passos Coelho (Foto: AP)
Pedro Passos Coelho: Wird er der künftige Premier?Bild: AP

Während die Sozialistische Partei (PS) des amtierenden Ministerpräsidenten Jose Socrates laut jüngsten Umfragen lediglich zweitstärkste Kraft werden dürfte, liegen die eher konservativen Sozialdemokraten (PSD) mit ihrem 46 Jahre alten Spitzenkandidaten Pedro Passos Coelho in der Wählergunst vorn. Experten rechneten damit, dass die PSD gemeinsam mit der wohl drittstärksten Kraft, der rechtsgerichteten Volkspartei (CDS-PP), die künftige Regierung stellen wird.

Die Neuwahlen in Portugal wurden nötig, weil der seit 2005 regierende Socrates Ende März seinen Rücktritt erklärt hatte - der 53-Jährige blieb jedoch geschäftsführend weiter im Amt. Zuvor hatte seine Minderheitsregierung im Parlament keine Mehrheit für das vierte Sparpaket innerhalb von elf Monaten finden können. Anfang April flüchtete das westeuropäische Land schließlich unter den Euro-Rettungsschirm und wendete damit die drohende Staatspleite zunächst einmal ab. Für ihr Hilfspaket im Umfang von 78 Milliarden Euro, das jeweils zu einem Drittel von den Euro-Ländern, der EU und dem IWF gestemmt wird, verlangen die Kreditgeber aber umfassende Spar- und Reformanstrengungen.

Sozialer Sprengstoff

Das Euro-Sorgenkind hat sich verpflichtet, die Neuverschuldung von rund sechs Prozent in diesem und neun Prozent im vorigen Jahr bis 2013 unter die vom europäischen Stabilitätspakt vorgegebene Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes abzubauen. Es wird mit Steuererhöhungen gerechnet. Die lahmende portugiesische Wirtschaft soll zudem mit lange verschleppten grundlegenden Reformen am Arbeitsmarkt und im Immobilien- und Dienstleistungssektor wieder auf Trab gebracht werden. Zudem müssen Staatsbetriebe privatisiert werden.

Portugiesisches Parlament (Foto: AP)
Parlament in Lissabon: Wer wird hier künftig das Sagen haben?Bild: AP

Die oppositionellen Sozialdemokraten haben bereits für den Fall ihres Wahlsiegs drastische Ausgabenkürzungen angekündigt, die beträchtlichen sozialen Sprengstoff bergen dürften. Auch wollen sie alle Großprojekte zum Ausbau der Infrastruktur aussetzen. In einem Wahlkampf-Duell hatte PSD-Chef Passos Coelho dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten wiederholt die Verantwortung für die Schuldenkrise zugewiesen. Socrates wiederum warf Passos Coelho vor, eine Bedrohung für den Sozialstaat zu sein.

Tatsächlich dürften die notwendigen Sparmaßnahmen noch schärfer ausfallen, als das kürzlich im Parlament gescheiterte Sparprogramm. Gewerkschaften haben bereits massive Proteste angekündigt und einen Generalstreik nicht ausgeschlossen.

Autor: Christian Walz (rtr, dpa, afp, dapd)
Redaktion: Hans Ziegler