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PolitikEuropa

Kroatien: Präsident Milanovic vor zweiter Amtszeit?

23. Dezember 2024

Am kommenden Sonntag findet in Kroatien die erste Runde der Präsidentenwahl statt. Favorit ist Amtsinhaber Zoran Milanovic. Der spaltet und polarisiert schon länger - und lässt oft unklar, wofür er eigentlich steht.

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Ein Mann (Kroatiens Staatsoberhaupt Zoran Milanovic) steht hinter einem weißen Pult, auf dem in roten Buchstaben "Predsjenika" steht, und spricht in ein Mikrofon. Hinter ihm sind sitzende Menschen zu sehen
Will ein zweites Mandat: Kroatiens Präsident Zoran Milanovic bei einer Wahlkampfveranstaltung in Zagreb Ende Dezember 2024Bild: Damir Sencar/AFP/Getty Images

Die Anhänger von Zoran Milanovic kamen auf ihre Kosten an diesem Sonntagvormittag im Dezember 2024: Beim Wahlkampfauftakt im vollen Saal der Kulturfabrik in Kroatiens Hauptstadt Zagreb gab sich der aktuelle Präsident des EU-Mitgliedslandes und Kandidat bei den am 29. Dezember anstehenden Wahlen zum kroatischen Staatsoberhaupt in gewohnt kämpferischer Manier.

Nachdem das Publikum Milanovic mit tobendem Applaus begrüßt hatte, griff dieser Premierminister Andrej Plenkovic und dessen Regierung scharf an. Der Präsident beschuldigte den Regierungschef der Korruption und Vetternwirtschaft und bezeichnete Plenkovic als "Pudel" und "Puppe Brüssels", als Jasager, der alles abnickt, was die Europäische Union beschließe - und dabei nicht auf die nationalen Interessen Kroatiens achte. Für die andere Mitbewerber im Kampf um das Präsidentenamt hatte der Amtsinhaber nur Spott übrig: Über sie wolle er gar nicht reden, so Milanovic, denn "ein Adler jagt keine Fliegen".

Porträt eines Mannes (Kroatiens Premierminister Andrej Plenkovic) mit grau-schwarz meliertem Haar, der eine Brille trägt. Im Hintergrund ist der Schriftzug "HDZ" in weißer Schrift auf blauem Grund zu erkennen
Kroatiens Premierminister Andrej PlenkovicBild: Antonio Bronic/REUTERS

Milanovics Selbstsicherheit hat ihre Gründe: Seit Wochen führt der amtierende Präsident im Rennen um ein zweites fünfjähriges Mandat ununterbrochen in allen Umfragen, zuletzt mit einer prognostizierten Unterstützung von 39 Prozent der Befragten. Sein engster Verfolger, Dragan Primorac, der Kandidat der regierenden national-konservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), kommt auf 23 Prozent. Weit abgeschlagen folgen Ivana Kekin von der links-grünen Partei "Mozemo!" ("Wir können es!") und die unabhängige Kandidatin Marija Selak Raspudic mit jeweils rund neun Prozent.

Kroatischer Trumpismus

"Dabei hat Milanovic gar kein Programm", sagt der Zagreber Politologe und politischer Analyst Zarko Puhovski in einem DW-Gespräch, "er ist das Programm". Was Milanovic praktiziere sei "eine Art Trumpismus", so Puhovski weiter: "Er präsentiert sich als Mann klarer Worte, klarer Vorstellungen, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Das ist es, was die Leute mögen: starke Männer. Das sehen wir zur Zeit auch in Ungarn und in den USA."

Porträt eines älteren Herren, der eine hellgraue Jacke trägt
Zarko Puhovski ist Politologe und politischer Analyst in der kroatischen Hauptstadt ZagrebBild: Zoran Arbutina/DW

Zudem schere sich der Staatspräsident weder um die Gesetze noch um die staatlichen Institutionen Kroatiens. "Er hat mehrmals die Verfassung gebrochen, verweigert die Zusammenarbeit mit der Regierung und dem Parlament, ignoriert die Entscheidungen des Verfassungsgerichts, dessen Richter er als lästige Stallfliegen und Gangstergruppe bezeichnete. Und bei den letzten Parlamentswahlen (im April 2024, Anm.d.Red.) hat er sich verfassungswidrig als Spitzenkandidat seiner Sozialdemokratischen Partei aufstellen lassen - ohne von seinem Amt als Staatspräsident zurückzutreten, wie es das Verfassungsgericht gefordert hatte", erklärt Puhovski.

Ja zu Europa - aber Kroatien zuerst

Politisch gibt sich Milanovic, der lange Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (SDP) und als solcher von 2011 bis 2016 auch schon Regierungschef war, weder als klar links noch rechts zu erkennen. Stattdessen stilisiert er sich als unerschrockener Kämpfer gegen die den Staat zerfressende Korruption und den Nepotismus der regierenden HDZ - missachtet aber gleichzeitig die zentralen Institutionen des kroatischen Staates.

Zwei Personen haben Fahnen der EU und Kroatiens auf ihren Rücken ausgebreitet, im Hintergrund ist ein Feuerwerk zu erkennen
Feuerwerk in Zagreb anlässlich des EU-Beitritts Kroatiens am 1.07.2013Bild: picture-alliance/D. Puklavec

Milanovic betont einerseits die Zugehörigkeit Kroatien zur westlichen Welt und zur EU - pocht aber andererseits darauf, die Interessen Kroatiens dabei stets an die erste Stelle zu setzen. Er unterstreicht den Ursprung der kroatischen Staatlichkeit in dem antifaschistischen Kampf der jugoslawischen Partisanen während des Zweiten Weltkriegs - verleiht aber Orden an kroatische Soldaten, die mit einem Slogan der kroatischen Ustascha-Faschisten in den Kampf um die kroatische Unabhängigkeit von Jugoslawien in den 1990er Jahre zogen.

Wählbar für Linke und Rechte

Diese Unbestimmtheit ermöglicht Kroatinnen und Kroaten aus ganz verschiedenen politischen Lagern, Milanovic zu wählen. Während Primorac als Sprachrohr seines politischen Patrons, des HDZ-Vorsitzenden und Premiers Andrej Plenkovic, wahrgenommen wird, sehen die Linken in Milanovic den einzigen ernst zu nehmenden Gegenspieler des mächtigen national-konservativen Premiers. Die Rechten wiederum schätzen sein Eintreten für das Wohl der Nation und seinen Souveränismus gegenüber der EU.

Ein lächelnder Mann fasst mit seiner rechten Hand auf sein Herz, im Hintergrund sind weiße Buchstaben auf blauem Grund zu sehen
Dragan Primorac, Präsidentschaftskandidat der national-konservativen Partei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ), bei einer WahlkampfveranstaltungBild: Damir Sencar/AFP/Getty Images

Dabei hat der Präsident in Kroatien innenpolitisch wenig zu sagen. Maßgeblich sind das Parlament und die Regierung. Lediglich in einigen Fragen der Nachrichtendienste sowie in manchen Aspekten der Außenpolitik hat das Staatsoberhaupt Mitspracherecht; und der Präsident ist als Oberbefehlshaber der Armee wichtig in den Fragen der Verteidigung. Besondere Legitimität verschafft dem Amt die Tatsache, dass in Kroatien der Präsident anders als etwa in Deutschland direkt vom Volk gewählt wird.

NATO ja - aber keine Beteiligung am Krieg

Außenpolitisch will Milanovic Kroatien aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine heraushalten. "Das ist nicht unser Krieg", sagt er und bemühte ein altes Sprichwort: "Wenn Elefanten kämpfen, sollten sich die Mäuse beiseite halten." Zudem könne Russland, so der Präsident bei einer Veranstaltung Anfang 2023, "nicht auf konventionellem Wege besiegt werden".

Ein Mann in einer grünen Uniform, auf dessen Ärmel das Staatswappen Kroatiens, der Schriftzug "Croatia" und ein NATO-Luftwaffenabzeichen prangen, beobachtet Arbeiten an einem Flugzeug
Ein Pilot der kroatischen Luftwaffe bei einer NATO-Übung im November 2024Bild: Igor Soban/PIXSELL/picture alliance

Die Mitgliedschaft Kroatiens in der NATO stellt Milanovic nicht infrage - aber einen aktiven Einsatz kroatischer Soldaten im Ukraine-Krieg lehnt er selbst in Rahmen einer möglichen Friedenstruppe ab. Sein Gegenkandidat Primorac versuchte ihn deswegen als "Putins Mann" und "von Russen bezahlt" zu diskreditieren. Da er diese Behauptungen aber nicht belegen konnte, verpufften sie folgenlos.

Kein europäischer Musterknabe

Auch gegenüber der EU pocht Milanovic auf Wahrung der nationalen Interessen. Während Premier Plenkovic als europäischer Musterknabe gilt, der keine Probleme bereitet und brav den Hauptlinien der Brüsseler Politik folgt, fordert Milanovic mehr Selbstständigkeit. "Wir müssen auf uns achten, unsere Politik kann nicht immer die eines Untergebenen sein", sagte er in der Zagreber Kulturfabrik. Aus Brüssel brauche man vor allem Geld, predigt Milanovic schon länger - das sei "unser Geld", sagt er, "das steht uns zu".

Die gleiche Tonart nutzt der amtierende Präsident auch in Bezug auf die Nachbarn auf dem Westbalkan. In Bosnien und Herzegowina, wo die Kroaten neben Bosniaken und Serben eines der drei konstituierenden Völker sind, pocht er auf eine Stärkung kroatischer Rechte. An diesem Punkt gibt es kaum Differenzen zur Politik der aktuellen kroatischen Regierung.

Auch in seiner Haltung gegenüber Serbien unterscheidet sich Milanovic nicht sonderlich von der Position seines Intimfeindes, Premier Andrej Plenkovic. Allerdings mit einer wichtigen Abweichung: Kosovo sei Serbien seinerzeit "völkerrechtswidrig "weggenommen" worden, so Milanovic - und Kroatien habe da mitgemischt. Das sei ein Präzedenzfall gewesen, angesichts dessen nicht besonders verwunderlich sei, dass später Russland das Gleiche mit der Krim gemacht habe.

Sollte keiner der Kandidaten bei der ersten Runde der kroatischen Präsidentschaftswahl eine absolute Mehrheit der Stimmen erreichen, werden die zwei bestplatzierten Kandidaten 14 Tage später in die zweite Runde gehen.