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Kult um Michael Moore

14. November 2003

Die Bücher und Filme des amerikanischen Kulturkritikers Michael Moore sind in Deutschland extrem beliebt. Vor allem bei Deutschen mit gepflegten US-Vorurteilen. Was macht den Kult um Moore aus?

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Viele Deutsche lieben ihn:<br> Michael MooreBild: dpa

Nur in wenigen Ländern werden die Arbeiten des US-Autoren und Dokumentarfilmers Michael Moore so enthusiastisch angenommen wie in Deutschland. Sein Machwerk gegen US-Präsident George W. Bush, "Stupid White Men", hat sich hier seit Erscheinen im Herbst 2002 mehr als eine Million Mal verkauft. Das ist immerhin ein Drittel der weltweiten Verkaufszahlen. Zum Vergleich: In den Vereinigten Staaten, wo fast drei Mal so viele Menschen leben, ging das Buch nur 630.000 Mal über den Ladentisch.

Erstauflage von 200.000 Büchern

Moore in Deutschland ist ein Medienereignis, das an Kult grenzt. In den ersten beiden Monaten nach dem Filmstart von "Bowling for Columbine" trotzten im vergangenen Winter eine halbe Million Deutsche der Kälte und machten sich auf den Weg ins Kino. Sie wollten unbedingt den Film über die waffenfanatischen Amerikaner sehen, für den Moore später einen Oscar bekommen hat, den wichtigsten Filmpreis Hollywoods.

Buchcover: Moore - Stupid White Men
Buchcover von Michael Moores Stupid White Men

Moores zweites Buch "Downsize This", das in den USA bereits 1997 erschienen ist, ging unter dem deutschen Titel "Querschüsse" mit einer Erstauflage von 100.000 Exemplaren an den Start und stand Ende Oktober 2003 auf Platz fünf der "Spiegel"-Bestsellerliste. An der Topposition des Nachrichtenmagazins findet sich erneut der Titel "Stupid White Men". Mittlerweise ist Moores neuestes Werk "Dude, Where's My Country" in Deutschland erschienen: als "Volle Deckung, Mr. Bush!". Moores Herausgeber, der Piper-Verlag, plant eine Erstauflage von 200.000 Stück – bei nicht-fiktionalen Büchern in Deutschland höchst selten.

So populär wie John F. Kennedy

Aber woher kommt die Begeisterung? Seit "Stupid White Men" sei Moore bei den Deutschen so populär wie einst US-Präsident John F. Kennedy, schreibt das US-Magazin "Publisher's Week". Und inwieweit sind die Deutschen in dieser Hinsicht anders als die Amerikaner? "Sein Film und seine Bücher bestätigen negative Stereotype, die man in Deutschland über Amerika hat. Und den Glauben, dass das Land unkultiviert, geldgierig und materialistisch ist und hier alle mit einem Gewehr in der Hand herumlaufen", sagt Tom Clark, Geschichtswissenschaftler an der Universität Kassel.

Bowling for Columbine
Filmszene aus Bowling for ColumbineBild: AP

Allerdings hat Clark bemerkt, dass ein Großteil der Ironie und Selbstreflexion, die US-Leser an den Büchern schätzen, in den Übersetzungen verloren gegangen ist. "Moore arbeitet in den Staaten und in Deutschland in einem unterschiedlichen Kontext", sagt Clark.

Moore kommt gelegen

Vorbehalte gegen US-amerikanische Politiker sind in Deutschland nichts Neues. Washingtons Popularität war während des Vietnam-Krieges auf einem Tiefpunkt, ebenso als die USA in den 1980er Jahren Pershing-Raketen in Westdeutschland aufstellten. Aber Wissenschafter Clark sieht in Moores zunehmender Beliebtheit seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine neue Entwicklung.

Michael Moore erhält Oscar
Michael Moore erhält 2003 einen OscarBild: AP

"Hauptursache ist sicher der Irak-Krieg, aber es gibt noch andere Faktoren", sagt er. "Deutsche sind derzeit in Bezug auf ihre eigene Identität sehr verunsichert." Die Europäische Union sehen viele als Herausforderung und Bedrohung gleichermaßen, die Wirtschaft steckt in der Krise und das deutsche Selbstbewusstsein auch. "Jemand wie Moore kommt da sehr gelegen, weil er etwas bietet, wogegen man protestieren kann", erklärt der Historiker von der Universität Kassel.

Nach Clarks Meinung füllt "Bad Boy" Moore in Deutschland ein politisches Vakuum aus, weil Politiker hier immer völlig ernst genommen würden. Extrem-Komiker wie der Linke Al Franken oder der konservative Radiomoderator Rush Limbaugh, der wegen seiner rüden wie direkten Kommentare geschätzt und gefürchtet ist, seien in der Form in Deutschland fast unbekannt.

Form von Feigheit

Adrian Kreye, New-York-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung", glaubt, dass Moores Popularität Ausdruck von vorhandenem Anti-Amerikanismus ist. Das Problem damit sei, dass Leser ihre Abneigung ausdrücken, indem sie Moores Buch zitieren, statt sie offen zu zeigen. Kreye hält das für eine Form von Feigheit. "Deutsche Leser fühlen sich sicher, wenn sie ihre anti-amerikanischen Vorurteile zum Besten geben, weil es ein Amerikaner war, der sie zuerst formuliert hat", sagt der Journalist.

Ungeachtet der Kritik von vielen Seiten wird Moores Stern in Deutschland wohl weiter steigen. Der Erfolg, den er vor dem eigentlichen Verkaufsstart seines neuen Buches "Volle Deckung, Mr. Bush!" bereits hat, lässt vermuten, dass er ohne Probleme auf seiner Lesetournee durch Deutschland ganze Sportstadien füllen wird. Am 15. November 2003 beginnt er in Berlin. (kap)