Künstlerin der Extreme mit 75: Bildhauerin Rebecca Horn
In der internationalen Kunstszene ist sie ein Star. Rebecca Horn war vier Mal zur documenta eingeladen und bekam den höchst dotierten Kunstpreis der Welt: den Praemium Imperiale. Jetzt ist die Deutsche 75 Jahre alt.
"Der Schildkrötenseufzerbaum" (1994)
Allein die Titel ihrer Arbeiten sind schon Kunst. Rebecca Horn liebt die Poesie. Sie schreibt selbst literarische Texte und Drehbücher. Schriftzüge, Buchstaben spielen häufig eine wichtige Rolle in ihren Arbeiten. Sie bevorzugt stark emotionale Bilder, Arbeiten von ihr lassen niemand unberührt. Aber oft haben die scheinbar verspielten Skulpturen einen martialischen Unterton.
Eigensinn und Poesie
Rebecca Horn, 1944 im Odenwald geboren, musste sich gegen einige Widerstände durchsetzen, um Künstlerin zu werden. Ihr Vater - ein leidenschaftlicher Opernliebhaber - wollte, dass seine Tochter die Leitung der seit Generationen im Familienbesitz befindlichen Textilfabrik übernimmt. Aber sie brach das Studium der Betriebswirtschaft ab - und ging 1964 an die Kunstakademie nach Hamburg...
"Der Eintänzer" (Filmstill/1978)
Schon früh erregte Horn in der Kunstszene auch international Aufmerksamkeit. 1972 war sie mit ihren Arbeiten die jüngste Teilnehmerin der "documenta 52" in Kassel. Sie ließ sich nicht in einer Kunstsparte einengen, sondern arbeitete interdisziplinär: Skulpturen, Zeichnungen, Rauminstallationen und Performances gehören zu ihrem Werkskanon. Ebenso viel beachtete Filme, wie "Der Eintänzer" von 1978.
"Der Zwilling des Raben" (1997)
Federn, Stoffe, Schuhe, Pinsel, Messer, sogar zerbrechliche Eier benutzt Rebecca Horn für ihre Skulpturen und kinetischen Objekte. Sie schafft "Kunstmaschinen" voller Magie, wie diese bewegliche Federarbeit von 1997. Mit ihrer "Pfauenmaschine" machte sie 1982 auf der documenta 7 Furore.
Erinnerung ans KZ Buchenwald
Als Vertreterin einer Kriegsgeneration, die im letzten Jahr der Naziherrschaft geboren wurde, blieb der Nationalsozialismus zeitlebens ein Thema für Rebecca Horn. 1999 baute sie im alten Straßenbahndepot von Weimar die zweiteilige Rauminstallation "Die Stämme der Bienen unterwandern die Maulwurfsarbeit der Zeit" auf, eine ihrer wichtigsten Arbeiten, wie sie selbst sagt.
"Hauchkörper" (2017)
Die Poesie ihrer Arbeiten wird oft durch seltsame Brutalität gebrochen. Ihr Objekt "Hauchkörper" war 2017 Teil ihrer großen Retrospektive im Lehmbruck Museum Duisburg. Rebecca Horn arbeitet oft mit der Gefährdung des Gleichgewichts oder gefährlichen Materialien, wie flüssigem Blei, Quecksilber oder Polyester. 1967 vergiftete sie sich mit giftigen Dämpfen die Lunge und musste ins Sanatorium.
"Liebesflucht, Muschelschlaf" (2017)
Bei ihren filigranen Objekten geht es Horn nicht nur um die reine Form. Die zum Teil dramatisch inszenierten Schatten, ihre Wirkung auf die Gesamtinstallation im Raum, sind immer Bestandteil ihrer künstlerischen Konzeption. Seit 1989 war sie Professorin für Bildhauerei an der Berliner Hochschule der Künste und unterrichtete Studenten.
"Der verletzte Stern" / "L'estel ferit" (1992)
Die meisten Arbeiten von Rebecca Horn sind für Museen und Innenräume konzipiert. Nur selten geht die berühmte Bildhauerin auch in einen Außenbereich. Hier hat sie am Strand von Barcelona diesen Raumkörper als Außenskulptur installiert. Inzwischen gehört das Kunstwerk zum beliebten Foto-Objekt für Urlauber und Einheimische.
Blick in den Abgrund (2018)
Sie selbst hat dem Tod und den Abgründen des Lebens mehrfach ins Gesicht gesehen. Ein Schlaganfall lähmt seit 2015 ihre ungeheure Schaffens- und Arbeitskraft. Bei den Ausstellungen der letzten Jahre konnte sie nicht immer dabei sein. Auf der Berlin Art Week im September 2018 hat sie diese Installation in der Berliner St. Hedwigs-Kathedrale aufbauen lassen - magisch, mystisch und spirituell.
Geballte Melancholie
Rebecca Horn ist ein Star und längst international in die erste Welt-Liga der Künstler unserer Zeit aufgestiegen. Als erste Frau überreichte ihr das japanische Kaiserhaus 2010 den "Praemium Imperiale" - eine große Ehre für die deutsche Künstlerin. 2017 erhielt sie mit 73 auch den Wilhelm-Lehmbruck-Preis.