EU-Vertrag vor Gericht
9. Februar 2009Ein brisantes Mammutverfahren steht diese Woche auf der Tagesordnung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in Karlsruhe: Am Dienstag (10.02.2009) und Mittwoch will das höchste deutsche Gericht den Lissabon-Vertrag der Europäischen Union prüfen. Bei dem komplexen Fall geht es im Kern um die Macht Brüssels und die Frage, ob das deutsche Demokratieprinzip verletzt wird.
Geklagt hatten in Karlsruhe CSU-Mitglieder wie der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und der ehemalige Europa-Parlamentarier Franz Ludwig Graf Schenk von Stauffenberg sowie die Bundestagsfraktion der Linken. Sollte das BVG den Klagen stattgeben, könnte die Zustimmung Deutschlands zum EU-Reformvertrag auf der Kippe stehen.
Die Argumentationen der Kläger
Die Kläger begründen ihre Klage beim BVG damit, dass die Demokratie durch das Reform-Verfassungswerk Schaden erleiden könnte. Der Sohn des bekannten Hitler-Attentäters, Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg, verglich die Konstruktion des Lissabon-Vertrages mit der Schwäche der Weimarer Republik. Diese sei kaputt gegangen, weil sie die Instrumentarien für ihre Feinde bereit gestellt hat, sagte Stauffenberg gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Focus".
In diesem Zusammhang warf er den EU-Institutionen mangelnde Legitimation vor: Über die EU-Kommissare gebe es keine Kontrolle und das Europäische Parlament sei kein demokratisch repräsentatives Gremium. Der Vertrag reduziere Demokratie auf Randrituale, so Stauffenberg.
Ähnlich wie Stauffenberg befürchtet auch Gauweiler durch die Zunahme der Kompetenzen auf EU-Seite eine Schwächung der deutschen Befugnisse auf der anderen Seite. In einem Beitrag für den "Rheinischen Merkur" schrieb der CSU-Politiker: "Der Vertrag von Lissabon steht gegen das Demokratiegebot für alle deutsche Staatsgewalt, weil durch diesen Vertrag die Gesetzgebungskompetenz der deutschen Volksvertretung ausgehöhlt wird."
Auch Irland, Polen und die Tschechische Republik fehlen noch
Der Lissabon-Vertrag soll die ursprünglich geplante EU-Verfassung ersetzen, die 2005 an Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert war. Er ist das zentrale Abkommen für die Zukunft der EU. Der Vertrag soll unter anderem Entscheidungen beschleunigen und die Union demokratischer machen. So erleichtert er etwa Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat und räumt dem Europaparlament mehr Mitsprache ein.Völkerrechtlich wird der Vertrag erst dann wirksam, wenn ihm alle 27 EU-Staaten zustimmen. In Deutschland votierten Bundestag und Bundesrat im vergangenen Frühjahr mit "Ja". Allerdings unterschrieb Bundespräsident Horst Köhler wegen der Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht die Ratifikationsurkunde zum Vertrag nicht. Neben der Urkunde aus Deutschland fehlen auch noch diejenigen aus Polen, Irland und der Tschechischen Republik.
Die Verhandlung wird mit Spannung erwartet Wie ernst die Verhandlung in Karlsruhe von allen Seiten genommen wird, zeigt schon ein Blick auf die erwartete politische Prominenz aus Berlin: So sollen für die Bundesregierung Innenminister Wolfgang Schäuble und Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Dienstag nach Karlsruhe kommen. Das Urteil wird frühestens im Sommer erwartet. (sas)