Mehr sexuelle Übergriffe bei Straßenfest
17. Mai 2016Erstmals äußerte sich die Polizei deutlich zu einem gemeinsamen Merkmal der mutmaßlichen Täter: "Alle Frauen beschrieben die Täter als junge Männer mit südländischem Aussehen", sagte der Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Einige Frauen seien deutlich mitgenommen und verstört gewesen oder hätten geweint. Die Vorfälle ereigneten sich laut Polizei beim Karneval der Kulturen an allen Abenden von Freitag bis Montag in Berlin-Kreuzberg.
Nach den bisherigen Ermittlungen begingen sogenannte Antänzer bei dem Straßenfest mindestens elf Straftaten. Zwölf mutmaßliche Straftäter seien bekannt, gegen sieben von ihnen seien Haftbefehle erlassen worden, erklärte der Polizeisprecher. Die Frauen seien von Tätern an den Geschlechtsteilen angefasst oder von der Gruppe umringt und dabei berührt worden. Man gehe von weiteren Opfern aus, die sich aber bislang nicht gemeldet hätten.
Zwei Frauen eingekesselt
Einen ersten Vorfall hatten die Behörden bereits am Sonntag publik gemacht. Demnach waren am Samstagabend zwei 17 und 18 Jahre alten Frauen von einer Männergruppe angetanzt, sexuell belästigt und bestohlen worden. Die Frauen versuchten, aus dem Kessel herauszukommen, wurden von den zehn jungen Männern aber immer wieder zurückgezogen. Dabei soll einer der Männer ein Smartphone aus der Jackentasche einer der Frauen entwendet haben.
Ein 27-jähriger Zeuge alarmierte die Polizei, filmte die "Antänzer" und kümmerte sich um die verstörten Frauen. Als die Polizei eintraf, hatte sich die Gruppe bereits aufgelöst. Das gestohlene Smartphone bekam die Besitzerin wieder zurück. Die Filmaufnahmen des Zeugen würden derzeit ausgewertet, erklärte die Polizei.
Drei Jugendliche festgenommen
Alarmierte Polizeibeamte nahmen drei Jugendliche vorläufig fest. Zwei 17-jährige Tatverdächtige sind demnach Berliner türkischer Herkunft. Ein 14-Jähriger mit Migrationshintergrund sei ebenfalls in Berlin geboren, aber staatenlos. Alle drei seien bereits wegen Diebstahls und Körperverletzung bekannt, berichtet die "Bild"-Zeitung. Haftbefehle wurden gegen die vorbestraften Jugendlichen nicht erlassen. Die Polizei gab von sich aus die Nationalität der Verdächtigen bekannt. "Wir wollten damit in den sozialen Netzwerken verbreiteten Gerüchten entgegentreten, wonach es sich bei den Tätern um Flüchtlinge handelt", sagte Neuendorf. "Wir wollten deutlich machen, dass die Tatverdächtigen in Berlin aufgewachsen sind."
Bei den sieben Tätern, gegen die am Wochenende Haftbefehle erlassen worden seien, handle es sich um drei Tunesier, zwei Marokkaner, einen Libyer sowie einen Algerier, sagte Neuendorf weiter. Weitere Tatverdächtige würden noch gesucht.
Das viertägige Straßenfest und der Umzug am Sonntag zählten mehr als 650.000 Besucher. Die Polizei war mit 800 Beamten vor Ort. Das Phänomen der Antänzer habe zuletzt stark zugenommen in Berlin, erläuterte Neuendorf. Dabei werden Passanten von Dieben angetanzt, umarmt und bestohlen. Seit dem 1. April ermittelt deshalb eine eigens eingerichtete "Ermittlungsgruppe Antänzer" gegen die häufig aus arabischen und nordafrikanischen Ländern stammenden Täter. "Jedem Verdächtigen wird ein Beamter zugewiesen, damit wir bei mehreren Vergehen leichter nachweisen können, dass es sich um einen Serientäter handelt und Haftbefehl erwirken können", so der Sprecher.
"Frauenverachtendes Verhalten"
"Dieses erniedrigende und frauenverachtende Vorgehen ist ebenso abstoßend wie kriminell", erklärte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU). "Sollte es weitere Vorfälle gegeben haben, appelliere ich dringend an die Betroffenen, sich bei der Polizei zu melden."
In der Silvesternacht war es in Köln und anderen deutschen Städten zu sexuellen Übergriffen auf Frauen sowie Diebstählen gekommen. Ein Großteil der Täter stammt aus dem nordafrikanischen Raum. Die Vorfälle lösten eine bundesweite Debatte über ein mögliches Versagen der Behörden aus.
kle/qu (afp, dpa, epd)