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GesellschaftDeutschland

Meinung: Der "Synodale Weg" als Vorbild

2. Oktober 2021

Beim Ringen um kirchliche Reformen schauen Katholikinnen und Katholiken aus vielen Ländern nach Deutschland. Gut so, sagt DW-Kirchenexperte Christoph Strack.

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Frankfurt am Main | Erste Versammlung des Synodalen Wegs
Gegen Vertuschung und Zölibat: Demonstrierende am Rande des "Synodalen Wegs" in FrankfurtBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Das Schreiben, das Bischof Georg Bätzing vor einigen Wochen erhielt, ließ ihn zunächst grübeln, ob es ein Fake sei. Aber tatsächlich bekam der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Post von der ehemaligen irischen Präsidentin Mary McAleese. Die Katholikin, die von 1997 bis 2011 an der Spitze ihres Landes stand, würdigte die Reform-Bemühungen der katholischen Kirche in Deutschland angesichts des Skandals des sexuellen Missbrauchs in der Kirche.

Bätzing berichtete von dem Gruß aus Irland, jenem Land, das als erstes in Europa Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in erschütternder Zahl offenlegte, vor dem Auftakt der zweiten Synodalversammlung des Synodalen Weges in Frankfurt am Main, die diesen Samstag zu Ende ging.

Deutsche Welle Strack Christoph Portrait
DW-Religionsexperte Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Synodaler Weg - das ist, spöttisch gesagt, der Debattierclub, mit dem die deutschen Katholikinnen und Katholiken ihre Kirche vor dem Abgrund retten wollen. Weniger spöttisch lässt sich sagen, dass sich die 230 Teilnehmenden des "Synodalen Weges" seit dessen Auftakt Ende 2019 sehr ernsthaft und auch schmerzhaft mit den systemischen Ursachen des Missbrauchsskandals auseinandersetzen. Da wird gestritten und gebetet, da wird viel Kirchenfrust laut und gelegentlich auch Kirchenträume. Aber alle sind Kirche - von den Reformkritikerinnen bei "Maria 1.0" bis zu Reformorientierten bei "Maria 2.0", von reaktionären Bischöfen bis zu progressiveren.

Reformweg ohne Billigung des Vatikans

Im Vatikan schaut man skeptisch auf diesen "Synodalen Weg". Denn der deutsche Katholizismus wird in Rom tendenziell immer etwas skeptisch beäugt, die Katholikinnen und Katholiken hierzulande nehmen Reformfragen stets etwas ernster als andernorts und: Der Synodale Weg startete letztlich ohne römische Billigung. Ganz passend, dass aus der Zentrale auf Einladungen zum Reformdialog nach Frankfurt nicht einmal eine Rückmeldung kam. Dabei hat der Vatikan ein eigenes Synoden-Sekretariat, dessen Mitarbeiter reihenweise Länder besuchen, um für synodale Prozesse zu werben.

So sprechen seit Anbeginn des Synodalen Weges Kritiker gerne von einem "deutschen Sonderweg". Den deutschen Katholikinnen und Katholiken fehle es an Glauben, nicht an Debatten. Außerhalb Deutschlands interessiere das niemanden.

Pressebild Der Synodale Weg
Der "Synodale Weg" tagte in Frankfurt am MainBild: Synodalversammlung/Nadine Malzkorn

Eine schöne These - aber sie stimmt nicht. Bätzing schilderte in Frankfurt, dass er kürzlich Diplomaten vom Synodalen Weg berichtet habe. In Rom waren dazu die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter der EU-Länder geladen. Und mehr als 15, heißt es, kamen, auch der Vertreter aus Polen, der aus Ungarn. Eine gut zweistündige, intensive Debatte.

Reformwille international beachtet

Nun in Frankfurt folgten ebenfalls internationale Beobachter den Debatten. Grzegorz Chojnacki als Entsandter der Polnischen Bischofskonferenz sagte, angesichts der Vertrauenskrise in Deutschland und der Weltkirche "war es, meiner Ansicht nach, nicht nur angebracht, sondern auch dringend, einen Prozess der Diagnose, der Konsultation und der Lösungsvorschläge zu starten". Und Theo Peporte aus Luxemburg sagte mit Blick auf die deutschen Beratungen: "Die Welt schaut darauf." Und sie werde auch auf die Ergebnisse schauen.

Die Verantwortlichen hatten reagiert: Anders als bei der ersten Vollversammlung des Dialogprojekts im Februar 2020 boten sie aus Frankfurt einen Livestream der kompletten Beratungen nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch in englischer Simultanübersetzung. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, meinte, der Synodale Weg finde "Aufmerksamkeit in der ganzen katholischen Welt".

Sternberg verwies auf einen Beitrag der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Diese legte vor dem Treffen in Frankfurt eine Broschüre vor, Stimmen aus 14 Ländern zum "Synodalen Weg". Unter anderem Brasilien und die USA, Australien und Indien, Spanien und Italien. "Die deutsche Synode ist eine Referenz für uns, die wir zur lateinamerikanischen und karibischen Kirche gehören und die wir uns in einem neuen Prozess der Synodalität befinden, der von Papst Franziskus vorgeschlagen wurde", schreibt darin ein brasilianischer Sprecher von "Wir sind Kirche".

Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholike
Überzeugt von der "Aufmerksamkeit in der ganzen katholischen Welt": Thomas SternbergBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Der Synodale Weg als Referenzgröße - wow! Man kann über das Format lästern, über die zu oft abgehobene akademische Sprache, über professorale oder doch zumindest promovierte Dominanz, über den typisch deutschen Wunsch, es nicht beim Imperfekten zu lassen und gleich mal groß zu denken. Es war auch amüsant, dass man an ein und demselben Tag die Forderung nach der Zulassung von Frauen zum Priesteramt erörterte und sodann auf die Überlegung kam, ob es ein Priesteramt heute überhaupt noch brauche.

Deutsche Katholiken gehen voran

Aber wenn - was vor dem Start des "Synodalen Weges" die Erkenntnis war - Missbrauch in der Kirche systemisch war oder ist, dann war oder ist er kein rein deutsches Problem. So ist es gut, dass die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland vorangehen. Ja, für manche ist das ein heißer Tanz. Aber zu diesem heißen Tanz "Synodaler Weg" forderten die Bischöfe die Laien auf. Daran muss man erinnern, wenn nun Splittergruppen des Rechtskatholizismus mäkeln und lamentieren.

Deswegen stehen beide, Laien wie Bischöfe, in der Pflicht zu liefern. Und zu den Themen Macht, Zölibat, Sexualmoral und zur Rolle der Frau in der katholischen Kirche für das Heute und die Zukunft zu sprechen.

All das geschieht unter Beobachtung aus dem Ausland. Dazu zählen Länder, in denen es keine so bewährte Tradition des Laienkatholizismus gibt wie in Deutschland. Länder, in denen reaktionäre Medien die kirchlichen Debatten bestimmen oder der Klerikalismus ausgeprägter ist als in Deutschland. Eins wird immer klarer: Die Glaubwürdigkeit beziehungsweise Unglaubwürdigkeit von Kirche ist kein deutsches Problem. Es ist eine internationale Herausforderung.