Neue Hürde für Lissabon
20. August 2009Der tschechische Senator Jiri Oberfalzer kündigte an, er wolle mit anderen Mitgliedern des Senats, der zweiten Kammer des tschechischen Parlaments, gegen den Vertrag von Lissabon klagen. Oberfalzer bezweifelt, dass eine Passage im tschechischen Begleitgesetz zu dem EU-Vertrag rechtens ist, wonach die Regierung Kompetenzen an die EU mit einer einfachen Parlamentsmehrheit übertragen kann. Das tschechische Verfassungsgericht in Brno (Brünn) hatte bereits im November 2008 eine erste Klage gegen das grundlegende Vertragswerk der Europäischen Union abgewiesen.
Unterschrift des Präsidenten fehlt
In Tschechien, das seit 2004 der EU angehört, haben beide Kammern des Parlaments den Vertrag bereits ratifiziert. Es fehlt nur noch die Unterschrift von Staatspräsident Vaclav Klaus, der den Lissabon-Vertrag offen ablehnt. Klaus will nun nicht nur das zweite Referendum in Irland am 2. Oktober 2009 sondern auch den Ausgang der neuerlichen Klage abwarten, bevor er die Ratifizierung abschließt.
Die Klage könnte damit den Zeitplan zum Inkrafttreten des Vertrages über den Haufen werfen. Eigentlich sollte der Lissabon-Vertrag vom 1. Januar 2010 an in allen 27 Mitgliedsstaaten angewendet werden.
Deutsches Parlament setzt Urteil um
Ehrgeizig ist auch der Zeitplan, den sich die beiden Kammern des deutschen Parlaments zur endgültigen Ratifizierung des Lissabon-Vertrages gesetzt haben. Vor den Bundestagswahlen am 27. September soll ein neues Begleitgesetz beschlossen werden, das dem Parlament mehr Rechte in EU-Fragen einräumt. Dieses neue Begleitgesetz hatte das Bundesverfassungsgericht Anfang Juni zur Auflage gemacht, bevor der Lissabon-Vertrag in Deutschland ratifiziert werden kann. Eine breite Mehrheit der Fraktionen hat sich auf einen Gesetzentwurf geeinigt. Die bayrische CSU verlangt aber noch zusätzliche Erklärungen.
Der CSU-Politiker Peter Gauweiler will auch dieses zweite Begleitgesetz vor dem höchsten deutschen Gericht anfechten. Bundespräsident Horst Köhler (CDU) hat die Ratifizierungsurkunde bislang nicht unterschrieben. Fraglich ist, ob er eine zweite Klagerunde vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe abwarten würde.
Irisches Referendum im Oktober
Bundeskanzlerin Angela Merkel legt Wert darauf, dass der Lissabon-Vertrag von Deutschland möglichst noch vor dem 2. Oktober ratifiziert wird. Das würde ein deutliches Signal an die irischen Wähler senden, die an diesem Tag zum zweiten Mal über den Vertrag von Lissbon abstimmen werden. Ein erstes Referendum war 2008 gescheitert. Mittlerweile sehen die Meinungsumfragen Irland ganz europafreundlich aus, denn die Iren spüren, dass es ihnen ohne EU in der Wirtschaftskrise noch viel schlechter ginge. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Wählerinnen und Wähler das Referendum nutzen, um den unbeliebten Premierminister Brian Cowen abzustrafen, der sich für den Lissabon-Vertrag einsetzt.
Schließlich ist da noch der polnische Präsident Lech Kaczynski. Er ist wie sein Amtbruder auf der Prager Burg ein Europaskeptiker und will die polnische Ratifizierung erst besiegeln, wenn Irland und Deutschland ratifiziert haben werden. Der Lissabon-Vertrag hat also noch einige Hürden vor sich.
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn