Nzulezo - Ghanas Dorf auf Stelzen
Die Bewohner von Nzulezo leben auf und vom Wasser: Ihr Dorf in Ghanas Western Region ist komplett auf Stelzen gebaut. Und nicht nur deshalb ist Nzulezo im Tandane See berühmt.
Das "Venedig Ghanas"
Rund 360 Kilometer westlich der Hauptstadt Accra liegt das Dorf Nzulezo. In der lokalen Sprache Nzema bedeutet der Name "Wasseroberfläche" - denn die rund 500-Seelen-Kommune schwebt förmlich über dem dunklen Tandane See. Nzulezo ist das einzige Dorf im Land, das komplett auf Stelzen gebaut ist und wird deshalb auch gern das "Venedig Ghanas" genannt.
Welterbe-Anwärter
Im Jahr 2000 hat Ghana Nzulezo für die UNESCO-Welterbeliste nominiert - mit der Begründung, das Dorf sei die perfekte Symbiose zwischen Mensch und Natur. Das empfindliche Ökosystem wird nicht belastet. Die Amansuri Feuchtgebiete, in denen der See liegt, haben eine beeindruckende Flora und Fauna: Hier leben unzählige seltene Vogelarten, Affen, Krokodile und Schildkröten.
Aus der Heimat vertrieben
Der Legende nach stammen die Vorfahren der Bewohner Nzulezos aus dem Ghana-Reich im heutigen Mali. Nach einem Krieg um ihr fruchtbares Land und Gold mit dem Volk der Mende mussten sie im 15. Jahrhundert fliehen. Ihr Gott, so heißt es, erschien in Gestalt einer Schnecke und führte sie in das heutige Ghana. Doch immer wieder wurden sie von anderen Völkern oder Sklavenhändlern vertrieben.
Den Frieden gefunden
Also folgten die Ahnen der Nzulezoaner ihrem Gott immer weiter, so die Legende, und ließen sich schließlich auf dem Tandane See nieder. Hier hatten sie keine Angriffe mehr zu befürchten und fanden nach jahrzehntelanger Flucht ihren Frieden. Der See werde sie vor Feinden und Feuer schützen und sie auch mit Nahrung versorgen, versicherte ihr Gott, bevor er sein Volk dem Gott des Wassers übergab.
Ein Schrein für den Wassergott
Seitdem ehren die Nzulezoaner den Gott des Wassers. Ihm gilt dieser kleine Schrein. Der heilige Tag des Sees ist der Dienstag, an dem nicht gefischt werden darf. Und Frauen dürfen den See nicht überqueren, wenn sie ihre Periode haben - sie müssen dann im Dorf bleiben. Viele Bewohner essen aus Respekt vor dem Gott ihrer Vorfahren keine Schnecken.
Auch telefonieren und fernsehen geht
Heute leben in dem Stelzendorf rund 500 Menschen in den für Nzulezo typischen Hütten aus Ästen der Raffia Palme. Die einzelnen Hütten sind durch Stege aus Holzplanken miteinander verbunden. Eine Familie bewohnt jeweils eine Straße: Sie haben Strom, Satelliten-TV, Mobilfunknetz und dank des Projekts einer ausländischen Ölfirma seit einigen Jahren auch sauberes Trinkwasser.
Eigene Lehrer
Die Lehrer werden von der Regierung gestellt, meist Universitätsabsolventen, die Erfahrungen sammeln sollen. Doch die jungen Leute hält es oft nicht lange in Nzulezo - wegen Langeweile. Deshalb bildet das Dorf einige seiner Bewohner selbst zu Lehrern aus. "Die kennen das Leben hier und verschwinden nicht einfach bei Nacht und Nebel", sagt Nana Ette, der Sohn des Dorf-Chefs.
Vorsicht mit dem Feuer
Akyaa macht Erdnusspaste für das Mittagessen. Im Hintergrund lodert das Feuer, auf dem anschließend Maniokbrei gekocht wird. Da die Planken im Dorf nicht feuerfest sind, kochen die Frauen auf traditionellen Lehmöfen, wie es sie auch auf dem Festland gibt. Auch die sanitären Anlagen in den morastigen Wäldern sind auf einem stabilen Lehmboden gebaut. Die Fäkalien werden kompostiert.
"No food for lazy men"
Die Nzulezoaner leben auf, von und mit dem Wasser. Hauptproteinquelle sind die vielen Fische im See. Schon früh lernen die Jungen, wie man die Fangnetze repariert, zusammenlegt und Reusen im Busch auslegt. "No food for lazy men" - "Kein Essen für faule Männer", lautet ein ghanaisches Sprichwort.
Fruchtbarer Boden
Sengu Kulu und sein Sohn Eric sind wie viele Bewohner Nzulezos Kleinbauern. Auf rund zwei Hektar Land nahe des Ufers bauen sie Maniok, Kochbananen, Kokosnusspalmen und Ananas an - das meiste für den Eigenbedarf. "Durch den morastigen Untergrund ist das Land sehr fruchtbar und gut zu bestellen", sagt Kulu. Den Überschuss verkaufen sie auf dem Markt im rund sechs Kilometer entfernten Beyin.
Der beste Gin Ghanas
Nzulezo ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt für seine besonders schmackhafte Variante des lokalen Gin Akpeteshi. Überall in den Amansuri Feuchtgebieten findet man kleine Brennereien wie diese. Palmwein aus der Raffia Palme wird so lange destilliert, bis der klare, hochprozentige Gin zurück bleibt. Für knapp fünf Euro wird der Liter hier verkauft.
Handel mit der Hauptstadt
An einem Arbeitstag entsteht aus 14 Eimern Palmwein eine Gallone Akpeteshi - etwa 3,7 Liter. Die Spirituose wird in Kanister gefüllt und mit dem Einbaum in die Küstenstadt Beyin, die durch einen Kanal mit dem See verbunden ist, transportiert. Von hier aus wird der Gin auf Laster geladen und bis in die Hauptstadt Accra, aber auch in die Elfenbeinküste transportiert.
Auch Europäer zieht es nach Nzulezo
Das idyllische und abgeschiedene Leben auf dem Tandane See reizt auch Europäer. Ein spanisches Pärchen, das am Kanal zwischen Nzulezo und Beyin ein Restaurant führt, hat sich hier niedergelassen. Viele Jahre haben sie in dem Haus, das in der typischen Stelzen-Architektur gebaut wurde, gelebt. Heute dient es als Gästehaus für Freunde und Verwandte.
Leben wie ein Nzulezoaner
Die Kommune ist vom Tourismus abhängig. Viele kommen für eine Tagestour in das Stelzendorf und übernachten in den komfortableren Beach Resorts in Beyin. Wer wie die Einheimischen leben möchte, kommt im "Home Stay" unter. Eine eigene Krankenstation hat das Dorf nicht - Patienten werden mit dem Motorboot zum nächsten Arzt gebracht.
Weniger Touristen wegen Ebola
Seit Ausbruch der Ebola-Epidemie im Dezember 2013 kommen nur noch wenige ausländische Touristen in das Stelzendorf. Das macht der Wirtschaft zu schaffen. Im ganzen Land sei der Tourismus erlahmt, klagt Atta Mensa Kasapa. "Dabei war Ghana niemals von der Seuche betroffen". Er wünscht sich wieder mehr Besucher, die kommen und seine selbstgeschnitzten Holzboote kaufen.