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Besonders ungerecht

12. Mai 2009

Bei der Steuer- und Abgabenlast steht Deutschland im internationalen Vergleich weiter an der Spitze. Besonders Geringverdiener werden zur Kasse gebeten. Doch die OECD-Studie hat auch eine gute Nachricht.

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Kasse mit Euroscheinen (Foto: dpa)
Wer mehr verdient, darf mehr behaltenBild: dpa

Die Steuer- und Abgabenlast bei Gering- und Durchschnittsverdienern ist so hoch wie in kaum einem anderen Land, heißt es in einer in Berlin am Dienstag (12.5.2009) vorgestellten Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

48 von 100

Von 100 Euro Arbeitskosten (Bruttoverdienst plus Sozialbeiträge des Arbeitgebers) blieben für einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialbeiträgen gerade noch 48 Euro übrig - nur in Belgien und Ungarn seien die Abzüge höher.

Eine junge Familie spielt 'Mensch ärgere dich nicht' (Foto: dpa)
Doppeltes Einkommen wird bei Ehepaaren bestraftBild: picture-alliance/ dpa

Die OECD kritisierte, dass Deutschland wie kaum ein anderes Industrieland die Einkommen von Gering- und Normalverdienern belaste, während - eine deutsche Besonderheit - die Belastung der Arbeitseinkommen ab einem bestimmten Punkt wieder sinkt. Ein Single mit einem Jahresgehalt von rund 63.000 Euro hat demnach in Deutschland die höchsten Abzüge, nämlich 53,7 Prozent. Bei einem Jahresgehalt von 110.000 Euro müssen dagegen nur 50 Prozent abgeführt werden, hieß es in der Studie "Taxing Wages".

Etwas weniger Belastungen im Jahr 2008

Zwar ist die Belastung der Arbeitseinkommen nach Angaben der OECD im Jahr 2008 in Deutschland erneut leicht gesunken. So haben sich beispielsweise die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt. Die OECD fordert aber seit längerem die Bundesregierung auf, Gering- und Durchschnittsverdiener mehr zu entlasten. Von den Maßnahmen in den vergangenen Jahren hätten vor allem Gutverdiener profitiert.

Doppelverdiener im Nachteil

"Auch bei Paaren und Familien unterscheidet sich die Verteilung der Abgabenlast in Deutschland deutlich von der anderer Länder", heißt es weiter. Das deutsche System biete wenig Anreize, die Erwerbsarbeit auf beide Partner zu verteilen. Oft werde dies sogar bestraft: Verheiratete Paare, bei denen nur einer arbeite, liegen eher im Mittelfeld, unabhängig davon ob sie Kinder haben oder nicht. Ein Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern habe in Deutschland Abzüge von 36,4 Prozent - wenn beide Partner arbeiteten, liege Deutschland mit der Abgabenlast aber wieder an der Spitze. Ein Ehepaar mit zwei Kindern, bei dem ein Partner 44.000 Euro verdiene und der andere nur 14.500 Euro, müsse 41,4 Prozent abführen.

Parteien machen Stimmung

Die CDU sieht sich durch die jüngste Untersuchung bestätigt. "Die Studie macht deutlich, dass unser Vorhaben, die unteren und mittleren Einkommen weiter zu entlasten, notwendig und richtig ist", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, forderte erneut eine stärkere Belastung Besserverdienender. "Was die Studie präsentiert, ist eine tickende soziale Zeitbombe."

Otto Solms im Porträt (Foto: DW-TV)
"Frage der Sozialen Gerechtigkeit", meint FDP-Steuerexperte SolmsBild: DW-TV

FDP-Steuerexperte Hermann Otto Solms hat die Ergebnisse als "Anklageschrift gegen Steuererhöhungspolitik" bezeichnet. "Die Zahlen zeigen, wie ungerecht das deutsche Steuersystem ist", sagte Solms der "Rheinischen Post". Steuerentlastungen seien "nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft sondern auch der sozialen Gerechtigkeit".

Der deutsche Durchschnittslohn

Als deutschen Durchschnittslohn hat die OECD einen Bruttojahresverdienst von 43.942 Euro unterstellt. Als Durchschnittslohn gilt der durchschnittliche Jahresbruttoverdienst eines Vollzeitarbeitnehmers in der Privatwirtschaft.

Die OECD legt regelmäßig den Vergleich der Steuer- und Abgabenlast ihrer 30 Mitglieder vor. Sie wird aus der Einkommensteuer abzüglich Kindergeld plus Abgaben an die Sozialkassen berechnet. Berücksichtigt wird auch die steuerliche Absetzbarkeit von Beträgen.

(sam/as/dpa/ap)