OECD Bildungsbericht
9. September 2014Sie sprechen über denselben Bericht. Aber während Heino von Meyer, Leiter des OECD-Berlin-Centres den aktuellen Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit als Warnung an die deutsche Politik kommuniziert, freut sich Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) über die präsentierten Zahlen. Er sieht wie die Deutschen im internationalen Vergleich immer weiter zurückbleiben. Sie sieht positive Entwicklungen. Mit einem Seitenblick auf den OECD-Vertreter sagt Wanka: "Man kann keiner Statistik trauen, die man nicht selbst interpretiert hat." Für die Ministerin hat Deutschland im letzten Jahrzehnt viel erreicht. "Die Bildungsbeteiligung ist überdurchschnittlich: Von der frühkindlichen Erziehung bis zur Weiterbildung und bei den Studienanfängern haben wir die 50-Prozent-Marke geknackt."
Aber auch von Meyer vertraut lieber seiner eigenen Interpretation der Studie, die Deutschlands Bildungsniveau und -anstrengungen mit denen der 33 anderen OECD-Mitglieder auf fünf Kontinenten vergleicht. Die Studie mit dem Titel "Bildung auf einen Blick 2014" listet auf 750 Seiten 30 Indikatoren auf - von der Zeit, die Schüler im Klassenzimmer verbringen bis zum Anteil des Bruttoinlandsproduktes für die Bildung. Sicher, Deutschland habe gute Zahlen, meint der OECD-Funktionär, aber die anderen Länder schliefen nicht. "Sie werden rasch immer besser und manchmal besser als Deutschland." Der Anteil der Hochgebildeten nehme seit einer Generation in Deutschland nur noch schwach zu, stellt die Studie fest. "Man darf sich nicht auf dem Erreichten ausruhen", fordert von Meyer.
Mehr Bildung, mehr Geld
Mit geringerer Bildung wachsen die Risiken. Denn eine gute Ausbildung ist nach den Erkenntnissen der OECD der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Fast 13 Prozent der geringqualifizierten Deutschen sind ohne Arbeit, aber nur 5,3 Prozent derjenigen mit Abitur oder abgeschlossener Lehre - die Studie fasst diese Gruppe als Sekundarabschluss zusammen. Bei Akademikern und Menschen mit einem Meisterbrief – einem tertiären Abschluss – liegt die Arbeitslosenquote bei 2,4 Prozent. Auch die Verdienste steigen mit der Bildung. Die Akademiker/Meister-Gruppe liegt in Deutschland 74 Prozent über denjenigen mit Sekundarabschluss. Eine Schieflage, monieren die Fachleute der OECD, die in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen habe. International klaffen die Einkommen zwischen den genannten Gruppen zwar wesentlich weniger, aber immerhin noch um 59 Prozent auseinander.
Der Bericht der OECD kommt zu dem Schluss, dass es in Deutschland schwerer als in den meisten anderen Ländern ist, über das Bildungsniveau der Eltern aufzusteigen. Nur 24 Prozent seien besser ausgebildet als die Eltern und 18 Prozent blieben hinter deren Niveau zurück, bei den jungen Erwachsenen sind es sogar lediglich noch 19 Prozent Aufsteiger und 24 Prozent Bildungsabsteiger. Besonders die Nachkommen der weniger Gebildeten machen der OECD Sorgen. Ihnen gelingt es in Deutschland wesentlich seltener einen tertiären Abschluss zu bekommen als in den meisten anderen verglichenen Ländern. "Die Chancen des Akademikerkindes sind doppelt so hoch", stellt von Meyer fest und hält der Politik vor, dass das Versprechen "Aufstieg durch Bildung" nicht eingelöst werde.
Ministerin bleibt zuversichtlich
Bildungsministerin Wanka will sich dieser Einschätzung so aber nicht anschließen. "Es kommt darauf an, für jedes Kind, für jeden Jugendlichen den richtigen Weg zu finden – unabhängig davon, wie der Status des Elternhauses ist", betont sie im Gespräch mit der DW. Sie stört sich daran, dass die OECD-Studie es so negativ darstellt, wenn junge Erwachsene nicht das Bildungsniveau ihrer Eltern erreichen. "Es geht nicht darum, den Status zu halten. Warum soll es ein Abstieg sein, wenn eine Zahnarzttochter beschließt, Optikerin zu werden?", fragt sie sich. Deutschland habe nun einmal eine schwierige demografische Zukunft. Die CDU-Politikerin verweist auf die erweiterten Möglichkeiten, im Bildungssystem aufzusteigen. "Man muss kein Abitur mehr machen, um zu studieren, das ist auf dem Papier alles bestens geregelt. Es wird in der Zukunft darauf ankommen, dass so umzusetzen, dass möglichst viele davon Gebrauch machen."