OECD lobt Deutschland
17. Juni 2012Mexiko wollte auf "seinem" G20-Gipfel eigene Akzente setzen: grünes Wirtschaftswachstum, Ernährungssicherheit und Zugang zu Finanzdienstleistungen für die Ärmsten stehen auf der Agenda. Aber seit Wochen ist klar: Die Euro-Krise wird den G20-Gipfel im mexikanischen Los Cabos beherrschen.
Das hohe Lied der Disziplin
Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem strikten Festhalten am Sparkurs sowohl innerhalb wie außerhalb der EU zunehmend isoliert dasteht, kann OECD-Generalsekretär Angel Gurría der deutschen Haushaltsdisziplin durchaus etwas Positives abgewinnen: "In den vier bis fünf Jahrzehnten vor der Einführung des Euro hat die EU, anders als Deutschland, diese Phase der Haushaltskonsolidierung übersprungen. Das war ein Versäumnis: Die Harmonisierung der Haushalte hätte vor der Einführung des Euro geschehen müssen."
Inzwischen seien in vielen Ländern Europas Gesetze zur Haushaltssanierung auf den Weg gebracht worden, und die Unterzeichnung des Fiskalpaktes "durch 25 EU-Länder mit Ausnahme Großbritanniens und der Tschechischen Republik ist ein entscheidender Schritt für die Zukunft Europas. Aber der ist gerade erst erfolgt", so Gurría in Los Cabos, konkrete Ergebnisse seien noch nicht zu erwarten. Weitere Reformen seien notwendig. Der Bundestag stimmt am 29. Juni über den Fiskalpakt und den dauerhaften Rettungsschirm ESM ab, der am 1. Juli seine Arbeit aufnehmen soll.
Konkurrenz zwischen Jung und Alt
Erst kürzlich hatte die OECD den Industrieländern empfohlen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern und das Rentenalter zu erhöhen, trotz dramatisch hoher Jugendarbeitslosigkeit. In Spanien hat jeder Zweite unter 25 keine Arbeit, in Griechenland sind fast 40 Prozent der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen ohne Job und in Italien ist jeder Dritte unter 25 ohne Beschäftigung.
"Die Industrieländer stecken in einer Falle", so der Geschäftsführer der Zeitarbeitsfirma Manpower, Jeffrey Joerres. Er leitet die Arbeitsgruppe Beschäftigung der B20, eines Forums für Handelskammern und Industrieverbände der G20-Staaten. Auf der einen Seite belaste die steigende Lebenserwartung die Rentensysteme, so Joerres gegenüber der DW, "auf der anderen Seite erschwert die Verlängerung der Lebensarbeitszeit den Jugendlichen den Zugang zum Arbeitsmarkt." Die Antwort heiße allein Wachstum, so OECD-Generalsekretär Angel Gurría. "Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass Arbeitsplätze entstehen, wenn man früher in Rente geht. Angesichts steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenraten in Europa brauchen wir mehr Beschäftigung jenseits der 60. Die Arbeitszeit muss der Lebenszeit angepasst werden."
Anders als in der Finanzkrise herrscht bei diesem Thema Einigkeit in Europa. Nicht nur Deutschland hat das Renteneintrittsalter auf 67 angehoben, auch Italien und Spanien haben ihre Rentensysteme dahingehend reformiert. Lediglich der neue französische Präsident Francois Hollande will das Rad zurückdrehen und die Rente mit 60 wieder einführen. Sein Amtsvorgänger Sarkozy hatte erst 2010 das Rentenalter auf 62 angehoben, gegen massiven Widerstand der Gewerkschaften.
Wachstum und Flexibilisierung
Der G20-Gipfel hat Empfehlungen für den Los Cabos Action Plan erarbeitet, um den Arbeitsmarkt weiter zu flexibilisieren und vor allem die Jugendarbeitslosigkeit zu reduzieren. "Wenn wir nicht aufpassen, dann stehen wir vor einer verlorenen Generation", warnt Joerres. Zu den fünf Empfehlungen zählen unter anderem die Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen auf lokaler Ebene, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie die engere Verzahnung von Ausbildung und Praxis. "Viel zu oft wird am Arbeitsmarkt vorbei ausgebildet; wir haben zu viele Arbeitslose, die den Anforderungen nicht entsprechen", kritisiert Manpower-Chef Joerres.
Konstruktive Partnerschaft
In dieser Hinsicht sei Deutschland ein Erfolgsbeispiel, bekräftigt OECD-Generalsekretär Angel Gurría. "Deutschland hat heute eine geringere Arbeitslosigkeit als vor der Krise und es gibt keine Jugendarbeitslosigkeit. Das ist auf die Partnerschaft zwischen Unternehmen, Gewerkschaften und der Politik zurückzuführen. Dadurch ist es gelungen, dass auch in der Krise die Arbeitslosigkeit nicht gestiegen ist."
Das Modell der dualen Ausbildung ist inzwischen Bestandteil deutscher Entwicklungszusammenarbeit. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern entstehen Berufsschulen und lokale Unternehmen profitieren von der praxisnahen Ausbildung.