OECD sieht Deutschland zurückfallen
29. November 2023Für 2025 erwartet die Industrieländerorganisation dann einen Anstieg von drei Prozent, da die Einkommen zulegen und die Leitzinsen sinken dürften. In Deutschland wird die Wirtschaft nach einem leichten Minus in diesem Jahr laut der OECD-Prognose 2024 um 0,6 Prozent und 2025 um 1,2 Prozent wachsen. Das geht aus dem am Mittwoch in Paris veröffentlichten "Economic Outlook" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor.
Weltweit geht die OECD davon aus, dass das Wachstum in aufstrebenden Volkswirtschaften besser ausfallen werde als in Industrieländern. Das Wachstum in Europa werde im Vergleich zu Nordamerika und den großen asiatischen Volkswirtschaften relativ gedämpft sein. Der Anstieg der Verbraucherpreise in den führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) werde weiter allmählich zurückgehen. Bis 2025 werde die Inflation in den meisten großen Volkswirtschaften voraussichtlich wieder auf dem Zielpfad liegen.
Deutschland schwächelt weiter
In Deutschland würden sinkende Inflation und steigende Löhne die Einkommen und damit den privaten Verbrauch laut OECD zwar stützen. Hohe Zinssätze belasteten jedoch Wohnungsbauinvestitionen und dämpften die Exportnachfrage nach Investitionsgütern aus Deutschland. Die übrigen Investitionen ziehen nach Einschätzung der OECD jedoch allmählich an. Die Exporte dürften sich langsam erholen, da die globale Nachfrage anziehe, heißt es in der OECD-Prognose.
So werde Deutschland 2024 ein niedrigeres Wirtschaftswachstum als fast alle anderen Industrieländern ausweisen. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte wegen schwächelnder Exporte nur um 0,6 Prozent zunehmen. Nur in den benachbarten Niederlanden dürfte das Plus mit 0,5 Prozent noch geringer ausfallen. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Wachstum der 38 in der OECD vereinten Industrienationen wird mit 1,4 Prozent veranschlagt.
Auch 2025 dürfte Deutschland mit 1,2 Prozent unter dem Schnitt von 1,8 Prozent bleiben. Im zu Ende gehenden Jahr soll Europas größte Volkswirtschaft sogar um 0,1 Prozent schrumpfen, während das OECD insgesamt mit einem Wachstum von 1,7 Prozent rechnen kann.
Verunsicherung durch Haushaltskrise
"Die deutsche Wirtschaft ist gerade in einer schwierigen Phase", sagte OECD-Ökonomin Isabell Koske der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Energiekrise hat Deutschland mehr als andere Staaten getroffen, da die Industrie hierzulande einen wichtigeren Platz einnimmt und die Abhängigkeit von russischen Gas viel höher war als in anderen Ländern." Auch habe die hohe Inflation die Kaufkraft der Haushalte gesenkt und damit den Konsum beeinträchtigt.
"Zudem verunsichert die Haushaltskrise Unternehmen und Konsumenten", sagte Koske. Das Bundesverfassungsgericht hat unter Verweis auf die Schuldenbremse entschieden, dass die ursprünglich als Corona-Kredit bewilligten 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 nicht nachträglich umgewidmet werden dürfen für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft.
Daher sei es zentral, "die Haushaltskrise so schnell wie möglich zu lösen, um den Unternehmen und Haushalten Planungssicherheit und Vertrauen in die Zukunft zu geben", sagte Koske. Eine Lösung sollten Kürzungen auf der Ausgaben-, Steigerungen auf der Einnahmenseite sowie eine Reform der Schuldenbremse umfassen.
Schluss mit "Klimaschädlichen Subventionen"
So sollte die Politik darüber nachdenken, ob die Subventionierung der Frühverrentung durch die Rente mit 63 angesichts des Fachkräftemangels noch zeitgemäß sei. "Auf der Einnahmeseite sollte man teure und verzerrende Steuervergünstigungen kürzen, vor allem die klimaschädlichen Subventionen", sagte die OECD-Expertin und nannte als Beispiele Dienstwagenprivileg, Dieselsubvention und Pendlerpauschale, aber auch die Freibeträge bei der Schenkungs- und Erbschaftssteuer und die Befreiungen für Betriebsvermögen. Eine Reform der Schuldenbremse empfiehlt die OECD seit Jahren, um mehr Flexibilität für zentrale Zukunftsinvestitionen zu schaffen.
"Wenn die politischen Verantwortlichen sich jetzt schnell auf eine Lösung der Haushaltskrise einigen können und die notwendigen Verbesserungen in der öffentlichen Verwaltung und eine Senkung des Bürokratieaufwands voranbringen, bin ich zuversichtlich, dass sich die deutsche Wirtschaft wieder gut erholen wird", sagte Koske. Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) würden dabei helfen. "Aber es ist noch viel wichtiger die Inflation wieder dauerhaft auf das Ziel der EZB herunterzubringen", sagte die Expertin. "Dazu braucht es für eine gewisse Zeit hohe Zinsen." Allerdings seien die deutschen Unternehmen weniger abhängig von Krediten zur Finanzierung ihrer Investitionen, da sie über hohe Ersparnisse verfügten, welche sich in den vergangenen Jahren aufgrund der hohen Exportüberschüsse angesammelt hätten.
dk/hb (dpa, rtr)