Ohne WTO-Verhandlungen: Bilaterale Abkommen noch interessanter
28. Juli 2006Je länger die Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO auf Eis liegt und zudem unklar ist, ob sie überhaupt wieder aufgenommen wird, desto mehr werden die großen Handelsländer ihr Heil in bilateralen oder regionalen Freihandelsabkommen suchen. Den Nachteil davon haben die ärmeren Länder. Derzeit sind mehr als 200 solcher Handelsabkommen in Kraft, in denen sich zwei Staaten oder Staatengruppen gegenseitigen Marktzutritt und Zollsenkungen gewähren.
Weitere 90 Freihandelsabkommen sind unterschrieben oder in Arbeit. Das sind doppelt so viele wie vor 50 Jahren. 1990 waren bei der WTO-Vorgängerin, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT), erst 31 bilaterale oder regionale Abkommen registriert; 1970 waren es gerade einmal sechs.
Elf bilaterale Abkommen der USA in Lateinamerika
Besonders die USA handeln immer mehr Freihandelspakete mit einzelnen Staaten oder Regionen aus - und dies weltweit. Damit entwickeln sich diese Vereinbarungen für die USA zu einer echten Alternative zur multilateralen WTO und zu einem Druckmittel: Kommen sie nämlich in der WTO nicht zum Ziel, weichen sie auf bilaterale Abkommen aus. Zum Beispiel in Lateinamerika haben die USA in den vergangenen Jahren mit elf Ländern bilaterale Abkommen vereinbart oder vorbereitet. Die EU mag da nicht abseits stehen und hat ihrerseits mit Mexiko und Chile bilaterale Freihandelsabkommen vereinbart.
Verlierer sind die Entwicklungsländer
Anton Börner, der Präsident des Deutschen Groß- und Außenhandelsverbandes, verspricht sich nach wie vor von multilateralen Vereinbarungen innerhalb der WTO den größten Vorteil, weil sie nämlich automatisch für alle 149 WTO-Mitgliedsländer gelten. Wenn aber die WTO blockiert ist, sieht auch er in bilateralen Abkommen eine Alternative. Aber: "Die großen Verlierer sind gerade die Länder, die es am meisten brauchen, nämlich die Entwicklungsländer - insbesondere die Ärmsten der Armen."
Das heißt: Viele kleine afrikanische Länder, die zudem nicht über nennenswerte Rohstoffvorkommen verfügen, rücken auf der Prioritätenliste der großen Handelspartner nach hinten. Das gilt aber auch für kleine und arme Länder in Asien sowie in Südamerika. Diesen Ländern wird es außerdem schwer fallen, von sich aus bilaterale Handelsabkommen anzustreben, sagt Börner.
Mangelnde Stärke und Möglichkeiten
"Einfach auf Grund der mangelnden Stärke und der mangelnden Möglichkeiten, mit allen großen Wirtschaftsblöcken, sei es nun Japan, sei es die USA oder eben die EU, so zu verhandeln, dass für sie etwas Lukratives dabei rauskommt", sagt Börner. Was noch wichtiger sei: Die Länder würden einfach uninteressant, weil es sich für ein riesiges Exportland wie Deutschland und für ein deutsches Unternehmen nicht so sehr lohne, mit Costa Rica zu sprechen oder mit einem kleinen südostasiatischen Länd. "Die Großen haben dann eben mit China zu tun oder mit Indien, wo man natürlich ganz andere langfristige Perspektiven hat."
Nationaler Protektionismus nimmt zu
Während in der Welthandelsorganisation alle Handelserleichterungen für alle 149 WTO-Mitgliedsländer gelten, verschaffen bilaterale Handelsabkommen lediglich den beteiligten Ländern exklusive Vorteile. Hinzu kommt: Bei bilateralen Abkommen fällt es potenten Wirtschaftsmächten leichter, ihre Interessen durchzudrücken. Dadurch haben die großen Wirtschaftsmächte - EU, USA, Japan - von bilateralen Abkommen einen größeren Nutzen als kleinere Partner. Auch fällt es den größeren Ländern leichter als kleineren, gleichzeitig mit einer Vielzahl von Partnern Freihandelsabkommen auszuhandeln. Schließlich nimmt derzeit der Protektionismus weltweit zu - vor allem in den USA, aber auch in Europa.