Portugal: Paradies für Investoren?
6. April 2017"Die Lage hat sich in den vergangenen zwei Jahren stark verbessert, wir können optimistisch in die Zukunft blicken", freut sich die Wirtschaftsprofessorin Ana Teresa Lehmann von der Universität Porto. Immer mehr ausländische Firmen investierten in Portugal, schafften nicht nur Arbeitsplätze in Fabriken, sondern auch für Akademiker und Studienabgänger. Die Zeiten, in denen Investoren überwiegend billige Arbeitskräfte suchten, seien vorbei: "Vor allem im Bereich der Dienstleistungen mit hohem Mehrwert hat Portugal gute Karten."
Die Börsengruppe Euronext etwa hat ihr Technologiezentrum aus dem nordirischen Belfast ins nordportugiesische Porto verlegt, in Zukunft sollen dort bis zu 300 Softwareingenieure arbeiten. Die französische Bank BNP Paribas will 600 Arbeitsplätze schaffen, ein britisches Internet-Wettunternehmen weitere 300, um nur einige zu nennen. Portugals Ministerpräsident António Costa hat allen Grund zur Freude. Stolz erklärte er, die staatliche Agentur AICEP habe im vergangenen Jahr Investitionsverträge in Höhe von rund einer Milliarde Euro abgeschlossen, gegenwärtig verhandle sie über weitere 53 Projekte, bei denen es um Investitionen in der gleichen Höhe gehe. Seine Botschaft: Es geht aufwärts mit Portugal.
Neue Investitionsfelder
Allerdings anders als bisher: "Die Zeiten der großen Industrieansiedlungen sind wohl vorbei", sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Lehmann. Zwar erweitern und modernisieren Unternehmen wie Volkswagen, Renault, Bosch oder Siemens ihre Produktionsstätten und auch die Autozulieferer investieren kräftig in Portugal. "Aber ich sehe nicht, dass in nächster Zeit neue große Fabriken ins Land kommen werden", stellt Lehmann fest. Dafür kämen aber immer mehr Dienstleister, weil sie inzwischen gut ausgebildete Arbeitskräfte finden. Gerade aus dem Bereich Finanzen, neue Technologien und Informatik. "Das schlägt zwar bei den Finanztransfers nicht so stark zu Buche. Dafür schafft es aber qualifizierte Arbeitsplätze und ist gut für die Wirtschaftsentwicklung", betont Lehmann. "Wer heute in Portugal investiert, mietet Büros und stellt Fachkräfte ein."
Fachleute sind nicht schwer zu finden; langjährige Investitionen im Bildungsbereich, nicht zuletzt durch EU-Mittel ermöglicht, zahlen sich jetzt aus. Vor allem im Ingenieursbereich kann Portugal international konkurrieren. Bei Einkommen, die unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Selbst Informatiker, die weltweit gesucht werden, verdienten in Portugal noch deutlich weniger als in Deutschland, gibt Ana Teresa Lehmann zu. Das jedoch sei ein klarer Pluspunkt wenn es darum gehe, ausländische Unternehmen anzulocken.
Angst vor Minderheitsregierung
Die Kehrseite der Investitions-Medaille: Bis zu 80 Prozent der Neuinvestitionen kommen von Firmen, die bereits in Portugal sind. Da richtet etwa die deutsche Continental eine weitere Produktionslinie für Traktorenreifen ein, baut Grundig in Braga sein Werk aus, schafft Bosch mehr Arbeitsplätze. Zudem klagen die Alteingesessenen über mangelnde Stabilität und die teilweise Rücknahme von Arbeitsgesetzen aus der Troika-Zeit, etwa die Wiedereinführung gestrichener Feiertage. Selbst die Tatsache, dass die sozialistische Minderheitsregierung im Parlament vom europakritischen Linksblock und den Kommunisten gestützt wird, bereitet Sorgen. Er habe zu Beginn seiner Amtszeit viele Bedenken ausräumen müssen, gab vor kurzem sogar Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa öffentlich zu.
"Politische Stabilität oder Steuern spielen bei investitionswilligen Unternehmen nicht unbedingt eine große Rolle", hält Ana Teresa Lehmann entgegen. Sie seien zwar für internationale Fonds im Immobilienbereich wichtig, die modernen internationalen Dienstleister sorgten sich jedoch mehr um Sicherheit und Lebensqualität - beides Bereiche, in denen Portugal gegen seine Konkurrenten in Nordafrika und Osteuropa punkten könne. "Ich bin sicher, dass viele Firmen in Zukunft hier investieren werden" sagt die Wirtschaftsprofessorin. "Das Preis-Leistungs-Verhältnis in Portugal ist exzellent". Wenn sie Recht hat, sollte die Dauerkrise im Land bald zu Ende gehen.