Präventivschlag gegen Hussein?
23. Juli 2002Anfang Juli veröffentlichte Amerikas renommierteste Tageszeitung New York Times Pläne des US-Verteidigungsministeriums zu einer Irak-Invasion mit 250.000 Soldaten. US-Präsident Bush wollte die Pläne weder bestätigen noch dementieren.
Das Papier sei jedoch kein politisches, weder sehe es verschiedene Wege zum Sturz des irakischen Machthabers vor, noch ein Konzept für eine Zeit nach Hussein. "Das ist eine denkbare, zur Zeit aber nicht wahrscheinliche Strategie", bewertet Asienexperte Frank Umbach von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik die Veröffentlichung. Aber die Politik spricht inzwischen eine andere Sprache.
Auslegungssache: Die UNO-Resolutionen 1368 und 1373
Verteidigungsminister Rumsfeld nannte am Montag (22. Juli 2002) den Irak eine Bedrohung, die unmittelbar hereinbrechen könne. Ein amerikanischer Angriff auf den Irak oder andere Länder, die Massenvernichtungswaffen entwickeln, wäre nach Auffassung der USA ein "Akt der Selbstverteidigung" gemäß der UN-Resolutionen 1368 und 1373.
Aber auch der Irak bezieht sich inzwischen auf diese Resolutionen. Parlamentspräsident Hamadi forderte die Staatenvertretung Arabische Liga auf, sein Land in der Konfrontation mit Washington zu unterstützen. Die USA bezeichnete er als "Kriegstreiber" und Bedrohung der Sicherheit in der arabischen Welt - Worte, die auf den vom UN-Sicherheitsrat nach dem 11. September neu gefassten Begriff eines "Verteidigungsfalls" verweisen.
Hin und her in den eigenen Reihen
Senator Levin, Vorsitzender im US-Verteidigungsausschuss, mahnt indes zur Vorsicht. Das Pentagon besitzt offiziell keine Erlaubnis von irakischen Anrainerstaaten zur Truppenstationierung - auch, wenn der stellvertretende US-Verteidigungsminister Wolfowitz bereits mit der Türkei Details der Angriffspläne besprochen haben soll. Der arabischen Zeitung Al-Hayat zufolge hat Wolfowitz erklärt, die USA planten einen Angriff zu Beginn des folgenden Jahres unter Mithilfe der irakischen Opposition.
Irakische Exil-Oppositionelle setzen auf USA
Führende Vertreter der Opposition des Irak haben unlängst auf einem dreitägigen Treffen in London ihre Hoffnung auf eine militärische Intervention der USA bekräftigt. Überraschend war Prinz Hassan, der frühere jordanische Kronprinz und Onkel des jetzigen Königs Abdullah II., bei der Versammlung von rund 70 irakischen Exil-Offizieren aufgetaucht. Hassan ist ein prominentes Mitglied des haschemitischen Königshauses, das bis zum Sturz von König Feisal im Jahr 1958 auch im Irak herrschte. Er gilt in Londoner diplomatischen Kreisen als Favorit der USA für eine Schlüsselrolle im künftigen Irak.
Generalmajor Taufik Jassiri, der 1991 einen Putschversuch gegen Saddam organisierte, zeigte sich überzeugt, dass westliche Staaten den Irak besetzen müssten: "Als wir es das letzte Mal alleine versuchten, hat man uns massakriert." Auch Sharif Mohammed Ali Mohammed, ein ziviler Führer der schiitischen Minderheit des Landes, sagte: "Ich hoffe sehr, dass die USA das irakische Volk beim Sturz des Saddam-Regimes unterstützen werden."
Präventivschlag mit Langzeitwirkung
Der NATO-Partner Türkei und Irak-Nachbar will einen US-Einmarsch in den Irak verhindern. Ministerpräsident Ecevit fürchtet die Gründung eines Kurdenstaates im Norden des Irak, sollte Saddam Hussein stürzen. Kurden leben im Osten der Türkei, wie im Norden Iraks und fordern seit Jahren ihre Unabhängigkeit.
Zumal im Süden Iraks irantreue Schiiten beheimatet seien, die zwar in Opposition zu Saddam Hussein stünden, kaum aber auf Seiten amerikanischer Infanteristen. Die USA müssen Sabotage oder schlimmstenfalls einen Guerillakrieg der Schiiten mit Unterstützung durch den Iran einkalkulieren, sollten sie "mit allen Mitteln" gegen Hussein vorgehen.