Pressestimmen von Dienstag, 27. März 2007
26. März 2007In Nordirland haben sich die Protestanten und Katholiken auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung geeinigt. Dies ist ein Thema dieses Blickes in die Kommentarspalten der Dienstagsausgaben der deutschen Tageszeitungen. Doch zunächst Stimmen zur Diskussion in der großen Koalition über Dumping-und Mindestlöhne.
Das BADISCHE TAGBLATT aus Baden-Baden schreibt:
"Sittenwidrige Dumpinglöhne gehören möglichst schnell verboten. Wenn es Menschen gibt, die einen Vollzeitjob ausüben, ohne vom Ertrag ihrer täglichen Mühen ein menschenwürdiges Leben führen zu können, dann ist etwas faul im Staate Deutschland. Alle Dumpinglohn- Debatten müssen aber zwangsläufig in die Grundsatzfrage münden, ob das Land einen staatlich festgesetzten, allgemeinen Mindestlohn braucht. Doch in der CDU gibt noch eine neoliberale Ablehnungsfront den Ton an. Dabei sind deren Argumente ideologisch verbrämter Unsinn. Denn ist es nicht erstaunlich, dass ein neoliberaler Vorzeigestaat wie Großbritannien selbstverständlich einen gesetzlichen Mindestlohn hat."
Die PFORZHEIMER ZEITUNG will eine andere Frage geklärt wissen:
"Bevor es überhaupt eine Lösung gibt, muss keine ideologische, sondern eine ganz praktische Frage beantwortet werden, und zwar erst recht im Hinblick auf Kombilöhne, wie sie die CDU statt der Mindestlöhne favorisiert: Wie viele Arbeitsplätze um jeden Preis kann und will sich der Staat überhaupt leisten? Bevor diese Frage nicht geklärt ist, wird sich auch die Koalition an der Neuregelung des Niedriglohnsektors abarbeiten ohne am Ende ein Ergebnis verbuchen zu können, mit dem sich auskommen lässt."
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz bricht eine Lanze für den Vorschlag von Arbeitsminister Müntefering, sittenwidrige Löhne genau zu definieren:
"Wer seine Mitarbeiter sittenwidrig entlohnt, dem müssen Grenzen aufgezeigt werden. Darüber gibt es mittlerweile nahezu Konsens in der Großen Koalition, auch deshalb, weil nicht wenige in der Union gemerkt haben, dass es bei den Menschen in diesem Land keinerlei Verständnis für Ausbeutung gibt. Da man das Thema nicht der SPD überlassen will, findet Münteferings Vorschlag, immer mehr offene Ohren in der Union, aber auch in der Wirtschaft. Münteferings Lohnsicherheitsschranke will die Union indes nur im Zusammenhang mit Kombilöhnen akzeptieren. Warum nicht? Es wäre einen Versuch wert."
Für die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU ist alles schon Wahlkampftheater:
"Früher oder später werden SPD und Union auseinander gehen. Dann ist es nur natürlich, dass sie ihre Differenzen an die große Glocke hängen. Dies zu kritisieren, ist unpolitisch. Zur Demokratie gehört Streit. Es ist nur wunderlich, dass die SPD jetzt schon den unerklärten Wahlkampf gestartet hat und Unterschriften für die Einführung eines Mindestlohnes sammelt. Da wird die Union unter Druck gesetzt. Das ist kein guter Stil unter Partnern."
Nordirland soll nach fünf Jahren unter britischer Verwaltung wieder eine eigene Regionalregierung bekommen. Für die STUTTGARTER ZEITUNG klingt dies hoffnungsvoll, zumal der Chef der protestantischen Partei DUP, Paisley, Rückendeckung durch seine Parteifreunde hat:
"Nun hat sich Paisley also selbst verraten, indem er der Bildung einer Regierung mit Sinn Féin zugestimmt hat. Doch es ist ein positiver Verrat, der lange rhetorisch vorbereitet und durch die Wahl vor drei Wochen von der protestantischen Basis abgesegnet worden ist. Dasselbe gilt für den Sinn-Féin-Chef Gerry Adams, der seine Guerillakämpfer von einst das Gewaltmonopol der nordirischen Polizei anerkennen ließ. Beiden Politikern gebührt das historische Verdienst, die nach jahrelangem Blutvergießen traumatisierten und misstrauischen Wähler in die politische Mitte zurückgeholt zu haben. Deshalb stimmt diese Regierungsbildung im Vergleich zu der vor fünf Jahren so viel hoffnungsvoller."
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hat Hoffnung auf bessere Zeiten in Nordirland:
"Angesichts der vielen, vielen Opfer, die der Konflikt an der Peripherie Europas gefordert hat, ist die Verabredung von Belfast ein hoffnungsvolles Zeichen. Vielleicht läutet sie tatsächlich eine neue Ära nordirischer Politik ein. Die Regierungen in London und Dublin können sich dabei einiges auf ihren unermüdlichen Einsatz zugutehalten. Für Blair ist es ein kleiner Triumph zum nahen Abschied aus der Politik. Dass die politischen Gegensätze künftig im Parlament ausgetragen werden und nicht mehr in den Straßen und mit Sprengstoff, ist ein Fortschritt, den sich die Nordiren nicht mehr nehmen lassen sollten. Unwiderruflich."
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen betont einen besonderen Aspekt:
"Katholiken wie Protestanten in Nordirland blicken neidvoll nach Süden, auf Wohlstand und Wirtschaftsmacht der Republik Irland. Jetzt könnten sie mit der Aufholjagd beginnen. Verdient hätte es die Bevölkerung. Denn die meisten unter ihnen waren stets Opfer, nie Täter in dem blutigen Konflikt um die Vorherrschaft. Wenn Bildung und Wohlstand für alle erreichbar sind, verliert die Frage nach einem wiedervereinten Irland ihre Brisanz."
Das MAIN-ECHO aus Aschaffenburg weist auf die politische Bedeutung von Wasserpreisen hin:
"Es hat angesichts der Schrecken eines dreißigjährigen Bürgerkriegs seine eigene Ironie, dass der erste gemeinsame politische Akt von DUP und Sinn Fein darin bestand, den Nordirlandminister Peter Hain zu bitten, die geplante Einführung der Wassergebühren auszusetzen. Denn dieses profane Thema eint zurzeit alle Nordiren. Es zeigt aber auch, worin politischer Fortschritt bestehen kann: nach den historischen Kämpfen in den Mühen der Ebenen angekommen zu sein."