Propaganda für die Kleinsten
Bilderbücher sollten zwischen 1914 und 1918 auch die Kleinsten in Europa für den Weltkrieg begeistern. Nur vereinzelt gab es moderate Töne.
Papa ist im Krieg
Als im August 1914 Europa - und danach die ganze Welt - gegeneinander in den Krieg zog, da ging dies auch an den Kindern nicht vorüber. Schließlich waren es ihre Väter und Brüder, die als Soldaten in den Kampf zogen - und die Familie allein ließen. Kein Wunder also, dass etliche Kinder- und Jugendbücher aus dieser Zeit vom Krieg handeln. Wie dieser dargestellt wird, ist jedoch ganz verschieden.
Von Helden und anderen Märchen
Dies zeigt die Ausstellung "Das Kinderbuch erklärt den Krieg" im Bilderbuchmuseum Troisdorf anhand von knapp 200 Büchern, Broschüren und Bilderbogen. "Es gibt Hurra-patriotische und kriegshetzerische Literatur für alle Altersklassen, es gibt aber auch moderate Töne und Bücher, die daran gemahnen, dass auch die Feinde Menschen sind", sagt Kuratorin Carola Pohlmann.
Vom deutsch-französischen Krieg zum Nationalsozialismus
Die Exponate reichen von Ende des deutsch-französischen Kriegs 1871 bis zu Hitlers Machtergreifung 1933. Dadurch wird die langfristige Prägung mehr als einer Generation sichtbar, die mit Kriegsliteratur aufgewachsen ist. Ein Schwerpunkt liegt aber auf den vier Jahren des Ersten Weltkriegs. Im Bild: Das "Lustige Kriegskinderbuch" von 1916. Wirklich humorvoll geht es dennoch selten zu ...
Humor im Krieg? Fehlanzeige
Die Briten sind eigentlich bekannt für ihren schwarzen Humor. Das gilt auch für Kinderbücher. "Doch während des Krieges", diesen Eindruck hat Carola Pohlmann nach den etlichen Büchern, die sie für die Ausstellung ausgewertet hat, "scheint selbst ihnen angesichts all der Schrecklichkeiten der Humor ausgegangen zu sein. Ein Verlust für die Kinderliteratur."
Krieg zum Nachspielen
Viele Kinderbücher haben einen spielerischen Charakter - wie das französische Kinderbuch vom Rotkäppchen, das für Frankreich steht, und das sich gemeinsam mit seinen Freunden Belgien und England gegen den Bösen Wolf Deutschland wehrt. In deutschen Kinderbüchern wird auch Krieg gespielt (siehe Bild) - häufig wird er darin dargestellt als leicht zu gewinnende Sache.
Karten- und Brettspiele
Gespielt wurde Krieg nicht nur in Büchern, sondern auch in Form von Brett- oder Kartenspielen, wie dieses hier vom "Schwarzen Peter von Serbien". Hinter den Kriegsspielen stand dabei durchaus nicht nur der propagandistisch-erzieherische Aspekt, sondern auch ein kommerzieller: Mit dem Krieg ließ sich aus Sicht der Verlage gut Geld verdienen.
Unterrichtsfach: Krieg
Nicht nur zu Hause wurden die Bücher gelesen, gerade in der Schule stimmten Lehrer patriotisch auf den Krieg ein. Häufig fiel der Unterricht jedoch aus, weil in den Schulen ein Lazarett eingerichtet wurde – oder weil es weder Kohle noch Holz zum Heizen gab. Die Kinder wurden statt dessen in die Kriegswirtschaft einbezogen und mussten z.B. Feldarbeit leisten.
Mädchenbücher
Ein Großteil der Kriegsliteratur sollte an die Abenteuerlust der Jugend appellieren - und richtete sich nach dem damaligen Rollenverständnis in erster Linie an Jungen. Doch auch Mädchen wurden als Zielgruppe erkannt. Diese Bücher spielen in erster Linie an der so genannten "Heimatfront" - wie die Geschichte von "Trotzkopf" oder vom "Nesthäkchen", das den Krieg in Berlin erlebt.
Zwischen Schnelldruck und Kunst
"Die Zeichner standen zum Teil unter großem Zeitdruck, wenn auf einzelne Schlachten eingegangen werden sollte", sagt der Kinderbuchforscher und Co-Kurator Friedrich C. Heller. Französische Bücher seien aber durchweg von auffallend hoher Qualität. Im Bild: Der deutsche Einmarsch in Belgien, im französischen Kinderbuch dargestellt durch den deutschen Stiefel, der das kleine Lüttich niedertrampelt.
Broschüren und Kriegsaufrufe
Auch in etlichen Broschüren und Werbeplakaten tauchten Kinder auf - wie in diesem Werbedruck von 1915. Unter dem Bild stand der Text: "Wir lassen uns nicht aushungern." Die Kriegswohlfahrt rief damit zur Spende für die Speisung von Kleinkindern auf. Denn eines darf nicht vergessen werden: Die Kinder kannten den Krieg nicht nur aus Büchern - sie erlebten ihn täglich mit.
Von Euphorie keine Spur mehr
Mit dem Fortschreiten des Krieges werden auch die Darstellungen in den Kinder- und Jugendbüchern düsterer. Im Kontrast zu den "lustigen" Kriegsgeschichten, in denen die Helden einen schnellen Sieg erringen, wird 1917/18 - zumindest in einigen Publikationen - nun ein realistisches Bild der Grausamkeiten dieses ersten modernen Krieges mit Einsatz von Giftgas und Panzern gezeichnet.
Die Kathedrale von Reims
Auch pazifistische Literatur entsteht - wenn auch in geringerem Ausmaß. Müde vom Krieg sehnen sich offenbar auch die Autoren von Kinderbüchern nun nach Frieden. In der französischen Publikation "Reims. La Cathédrale" entsteht der Traum einer heilen Welt, in der die zerstörte Kathedrale - lange Zeit das Symbol der deutschen Barbarei in Frankreich - aufersteht und die Völker vereint.
Frieden? Nur für kurze Zeit
Am 11. November 1918 schließlich unterzeichnet das Deutsche Reich den Waffenstillstand von Compiègne mit Frankreich und England. Doch der Frieden sollte nicht lange halten. Etliche der Jungen, die während des Ersten Weltkriegs Kinderbücher gelesen hatten, zogen 1939 als Soldaten in den Krieg.
Vom Bilderbuchkrieger zum realen Soldaten
"Wenn ich als Kind immer wieder bestimmte Bildeindrücke bekommen habe, dann prägen sie wahrscheinlich auch mein Selbstverständnis als Soldat oder als Kämpfender", vermutet Kinderbuchforscher Heller. "Die Macht der Bilder und Texte ist nicht zu unterschätzen."