Rassismus ist überall
20. März 2009Die Bilanz des Schreckens kann jeder nachlesen, im Bericht des Verfassungsschutzes: 17.176 rechtsextremistische Straftaten wurden 2007 registriert. Zwei Drittel davon waren sogenannte Propaganda-Delikte. Darunter fällt beispielsweise das zur Schau tragen verfassungsfeindlicher Symbole. Am bekanntesten dürfte das Hakenkreuz sein.
In der Rubrik Gewalttaten finden sich 845 Körperverletzungen. Rein statistisch sind das 2,3 pro Tag - irgendwo in Deutschland. An die fremdenfeindlichen, antisemitischen, rassistischen Übergriffe scheint sich das Land gewöhnt zu haben. Typische Meldungen aus Zeitungen und Polizei-Berichten:
14.1.2009: Bei einer fremdenfeindlich motivierten Attacke im sächsischen Pirna ist eine junge dunkelhäutige Frau auf offener Straße niedergeschlagen worden. Laut Polizei hatte der Täter die 19-jährige zunächst mit rassistischen Sprüchen beleidigt. Dann schlug er ihr mit der Faust ins Gesicht.
12.2.2009, Berlin: Ein dunkelhäutiger Mann angolanischer Herkunft wird von zwei Männern im Alter von 22 und 43 Jahren am Bahnhof Zoo rassistisch beleidigt, angegriffen und geschlagen.Diese Schreckens-Meldungen wurden in Berlin von der Schauspielerin Bibiana Beglau zum Auftakt der Aktionswoche gegen Rassismus (16. Bis 29. März 2009) vorgetragen. Fast 20 Minuten dauerte die ungewöhnliche Lesung mit Bibiana Beglau und ihrem Kollegen Matthias Freihof während einer Presse-Konferenz des Vereins "Gesicht zeigen!". Seit dem Jahre 2000 engagieren sich zahlreiche bekannte und weniger bekannte Menschen in diesem Verein - eine von vielen Initiativen der Zivilgesellschaft, Vorsitzender ist der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye.
"Kein Neo-Nazi fällt vom Himmel"
Je stärker die Zivilgesellschaft sei und je größer der Widerstand der einzelnen, desto größer sei die Chance, Rassismus zu überwinden, glaubt Heye. "Am Arbeitsplatz, in der Schule, im Verein, wo immer man ist, überall muss man sich zu Wehr zu setzen." Heye sagt auch, es falle "kein Neo-Nazi vom Himmel". Es sei die Gesellschaft, die ihn dazu mache. Hunderttausende junge Menschen hätten keinen Schulabschluss, keine Perspektive. All das ist Heyes Erklärung für Rassismus und Fremdenhass - es ist keine Entschuldigung.
Auf staatlicher Ebene soll vor allem der im vergangenen Jahr verabschiedete Nationale Aktionsplan gegen Rassismus die Wende zum Guten einleiten. Deutschland erfüllte damit eine Forderung der Welt-Konferenz gegen Rassismus, die bereits 2001 in Durban stattgefunden hatte. Im deutschen Aktionsplan finden sich sämtliche Programme und Gesetze, die hehren Zielen dienlich sein sollen: Demokratie, Toleranz, Integration. Unterstützt werden auch Aussteiger aus der rechten Szene.
Kritik vom Institut für Menschenrechte
Trotz dieser Bemühungen gibt es Kritik am Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, unter anderem vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Vieles sei zu allgemein und unverbindlich. Auch die Vize-Präsidentin des Bundestages und Abgeordnete der Linken, Petra Pau, beklagt, "dass Rassismus in Deutschland oftmals als Randproblem betrachtet wird, leider auch durch die Politik". Es würden keine Maßnahmen gegen Alltags-Rassismus gefördert, der nicht nur von Rechtsextremen ausgehe.
Innenminister Schäuble setzt auf Prävention
Der deutsche Innenminister, Christdemokrat Wolfgang Schäuble, hält den Aktionsplan für eine gute Basis im Kampf gegen Rassismus. Gewalt und Diskriminierung müsse durch "wirkungsvolle Prävention, frühe Förderung und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts" verhindert werden. Die Bereitschaft aller, auf allen staatlichen Ebenen wie in der Gesellschaft sei vorhanden. Deswegen sei er zuversichtlich, dass Fortschritte erzielt werden könnten. Es lohne sich, etwas zu tun.
Vor wenigen Tagen präsentierte der deutsche Innenminister eine von ihm in Auftrag gegebene Jugendgewalt-Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Gewalt insgesamt geht demnach zwar zurück. Wolfgang Schäuble zeigte sich aber auch "ziemlich erschrocken" über den Befund zu rechtsradikalen Einstellungen. Demnach findet jeder Siebte, es gebe zu viele Ausländer in Deutschland.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz