Rauswurf Galants sorgt für Kritik in Israel und im Ausland
6. November 2024Mit der Entlassung seines weithin respektierten Verteidigungsministers Joav Galant in Kriegszeiten ist Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu im In- und Ausland auf Unverständnis gestoßen. Die mit der Wahl im eigenen Land beschäftigte US-Regierung - trotz aller Differenzen weiterhin Israels wichtigster Verbündeter - lobte den entlassenen Minister in höchsten Tönen.
"Die überraschende Entscheidung, Verteidigungsminister Galant zu entlassen, ist besorgniserregend, insbesondere inmitten zweier Kriege und während Israel sich auf die Verteidigung gegen einen möglichen Angriff aus dem Iran vorbereitet", zitierte die Zeitung "The Times of Israel" einen US-Beamten. "Wir haben Fragen zu den Gründen für Galants Entlassung."
Der 65-jährige Galant gilt als Pragmatiker. Er unterhielt gute Kontakte zur US-Regierung und zu seinem amerikanischen Kollegen Lloyd Austin. Die "Washington Post" zitierte eine Stellungnahme des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, in der Galant als wichtiger Partner "in allen Angelegenheiten, die die Verteidigung Israels betreffen", gewürdigt wurde.
Proteste in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa
In Israel gingen nach der Entscheidung zahlreiche Menschen gegen Netanjahus Regierung auf die Straße. In der Küstenmetropole Tel Aviv blockierten empörte Demonstranten die wichtige Stadtautobahn Ajalon mit brennenden Autoreifen und skandierten - Netanjahus bekannten Rufnamen nutzend - "Bibi ist ein Verräter". Bei Protesten in Jerusalem und Haifa wurden Medienberichten zufolge mindestens fünf Menschen festgenommen.
Auch Israels Staatspräsident Izchak Herzog meldete sich mit einer mahnenden Botschaft zu Wort. "Das Letzte, was der Staat Israel jetzt braucht, ist ein Aufruhr und ein Bruch mitten im Krieg. Die Sicherheit des Staates Israel muss an erster Stelle stehen", schrieb Herzog auf der Nachrichtenplattform X. "Wir befinden uns in einer der schwierigsten und herausforderndsten Zeiten, die wir je erlebt haben. Israels Feinde warten nur auf ein Zeichen von Schwäche, Zerfall oder Spaltung."
"Im Laufe der vergangenen Monate ist dieses Vertrauen erodiert"
Das Verhältnis zwischen Galant und Netanjahu galt seit einiger Zeit als zerrüttet. Als Grund für die Entlassung gab Netanjahu an, dass sein Vertrauen in den bisherigen Verteidigungsminister geschwunden sei. "Im Laufe der vergangenen Monate ist dieses Vertrauen erodiert", hieß es in der Erklärung seines Büros. "Im Lichte dessen habe ich entschieden, die Amtszeit des Verteidigungsministers zu beenden."
Galant war und ist - sehr zum Ärger Netanjahus - ein vehementer Befürworter eines Abkommens mit der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, um die im Gazastreifen noch immer festgehaltenen Geiseln freizubekommen. Der frühere General, Marinekommandeur und langjährige Militärberater des früheren Regierungschefs Ariel Scharon hat die Kriegsführung gegen die Hamas entscheidend mitgeprägt. Er geriet aber zuletzt wegen Unstimmigkeiten über das weitere Vorgehen immer wieder mit Netanjahu aneinander. Aus seiner Sicht hätte sich Israel schon weitaus früher stärker auf die nördliche Grenze zum Libanon konzentrieren sollen.
"Die Sicherheit des Staates Israel ist die Mission meines Lebens"
Galant selbst gab an, er sei aus drei Gründen entlassen worden: wegen seiner Forderung nach einer gerechten Verteilung der Verteidigungslasten auch auf die Schultern ultraorthodoxer Juden; wegen der Notwendigkeit, die Geiseln aus dem Gazastreifen zurückzubringen; und wegen seiner Forderung nach einer Untersuchung, wie die Hamas Israel mit ihrem Terrorüberfall am 7. Oktober 2023 überraschen konnte. "Die Sicherheit des Staates Israel war und bleibt die Mission meines Lebens", schrieb Galant nach seiner Entlassung auf X.
Während Galant neben dem langwierigen Militäreinsatz im Gazastreifen auch auf eine diplomatische Lösung setzte, um die restlichen Geiseln aus der Gewalt der Hamas zu befreien, verfolgen Netanjahu und seine extrem rechten Koalitionspartner einen rein militärischen Ansatz. Mit seiner Forderung, auch ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst einzuziehen, gefährdete Galant zudem die Regierungskoalition mit streng religiösen Parteien, die strikt gegen den Wehrdienst sind. Für sein politisches Überleben ist Netanjahu auf diese ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner angewiesen. Bei Neuwahlen würde dem Regierungschef nicht nur der Verlust seines Amtes drohen - auch die Korruptionsermittlungen gegen ihn könnten dann wieder Fahrt aufnehmen.
Außenminister Israel Katz folgt Galant nach
Der bisherige israelische Außenminister Israel Katz rückt an die Spitze des Verteidigungsressorts. Er gilt als treuer Weggefährte Netanjahus, der sich Entscheidungen des Regierungschefs nicht widersetzen dürfte. Zuletzt fiel er immer wieder durch extrem konfrontative Posts in sozialen Medien auf.
"Wir werden zusammenarbeiten, um unsere Feinde zu besiegen und die Ziele des Krieges zu erreichen: die Rückkehr aller Entführten, die Zerstörung der Hamas in Gaza, die Niederlage der Hisbollah im Libanon, die Eindämmung der iranischen Aggression und die sichere Rückkehr der Bewohner des Nordens und Südens in ihre Häuser", schrieb Katz nach seiner Ernennung auf X. Die militant-islamistische Hamas wird ebenso wie die Hisbollah von vielen Staaten als Terrororganisation gelistet.
Nachfolger von Katz im Außenministerium wird Gideon Saar, bisher Minister ohne Geschäftsbereich.
sti/haz/jj (afp, dpa, rtr)