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Reich-Ranicki stellt zweiten Teil seines Literatur-Kanons vor

12. Oktober 2003
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Mehr als 600 begeisterte Buchfans haben am Samstag (11.10.2003) dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bei der Vorstellung des zweiten Teils seines Literaturkanons gelauscht. "Dieser Teil ist qualitativ besser als der erste, weil ich 180 Erzählungen auswählen konnte und nicht nur 20", sagte der Kritiker auf der Frankfurter Buchmesse. Im vergangenen Jahr hatte Reich-Ranicki eine Sammlung mit 20 bedeutenden deutschsprachigen Romanen herausgegeben. Das hatte zu heftigen Diskussionen über die Zusammenstellung eines solchen Kanons geführt. Der zweite Teil mit 180 Erzählungen von 90 Autoren - von Goethe bis zu zeitgenössischen Schriftstellern - kommt am 22. Oktober in den Handel.

Dabei habe er die Definition für Erzählung bewusst weit gewählt. "So konnte ich den Journalisten Egon Erwin Kisch und den Philosophen Martin Buber mit ihren Werken aufnehmen", sagte Reich-Ranicki. Ebenso finden sich Märchen von den Gebrüdern Grimm, Kalendergeschichten von Johann Peter Hebel und Bertolt Brecht sowie Novellen von Arthur Schnitzler in der zehnbändigen Ausgabe. Die drei bedeutendsten Geschichtenerzähler seien für ihn jedoch Heinrich von Kleist, Thomas Mann und Franz Kafka.

Sein Kanon sei kein Programm, sondern vielmehr eine Empfehlung, ein Hinweis, sagte er. "Jeder Gegenentwurf ist mir lieb und ist er auch noch so dümmlich", sagte Reich-Ranicki und spielte damit auf zahlreiche Sammlungen an, die nach seinem Roman-Kanon im vergangenen Jahr erschienen waren. Damit werde die Diskussion in Gang gehalten. "Eines ist sicher, jede Generation macht sich ihre eigenen Spielpläne und schafft ihre eigene Anthologie", sagte der 83-Jährige. Er habe an seinem Kanon rund 70 Jahre gearbeitet. "Es ist das Ergebnis lebenslanger Beschäftigung mit der Literatur."

Seine Auswahl sei sicherlich nicht für jeden akzeptabel, sagte Reich-Ranicki. Auch habe er das eine oder andere schöne Werk weglassen müssen. "Aber da gilt das russische Sprichwort: Man kann nicht mit allen schönen Frauen schlafen, aber man sollte danach streben."