Angekratzter Favorit
4. Januar 2008Die Polizei wird bei der Präsidentenwahl am Samstag (05.01.2007) in erhöhter Alarmbereitschaft arbeiten. Dies teilte die Generalstaatsanwaltschaft in der früheren Sowjetrepublik am Donnerstag nach Angaben der Agentur Interfax mit. Bei der Wahl gilt Präsident Michail Saakaschwili aufgrund jüngster Umfragen zwar als Favorit. Der prowestliche Politiker kann aber nach der gewaltsamen Auflösung von Oppositionsprotesten im November nicht mit einem überwältigenden Sieg wie vor vier Jahren rechnen, als er mit 96 Prozent der Stimmen ins höchste Staatsamt gewählt worden war. Umfragen zufolge käme er jetzt auf 40 Prozent.
Oligarch aus dem Ausland
Der Oppositionskandidat Lewan Gatschetschiladse schafft es demnach auf zehn Prozent der Stimmen. Für Verwirrung sorgte am Donnerstag Saakaschwilis milliardenschwerer Gegenspieler, der Oligarch Badri Patarkazischwili. Der im Ausland lebende Geschäftsmann teilte mit, dass er ungeachtet früherer Ankündigungen nun doch bei der Wahl antreten wolle. Georgiens reichster Unternehmer hatte in der Vergangenheit angekündigt, er werde die Oppositionskandidaten unterstützen und sich zugleich selbst als Kandidat aufstellen lassen.
Jeder vierte Wähler ist noch unschlüssig, welchem Kandidaten er sein Vertrauen überhaupt aussprechen soll. Indes würde sich für den Westen selbst bei einem Überraschungssieger wenig ändern: Alle führenden Kandidaten unterstützen Georgiens Kurs für eine Mitgliedschaft in NATO und Europäischer Union. Am Samstag können 3,4 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben. Parallel zur Präsidentschaftswahl stimmen die Georgier in zwei Referenden über einen NATO-Beitritt ihres Landes und die Abhaltung vorgezogener Parlamentswahlen im kommenden Frühling ab.
Angekratztes Image
Mit seinen 40 Jahren kann Michail Saakaschwili bereits auf eine glänzende Karriere blicken: Vom Anwalt brachte er es zum Justizminister, vom Oppositionsführer zum jüngsten Staatschef Europas. Doch sein Image als Verfechter eines demokratischen Georgien ist seit November angekratzt: Der US-Verbündete Saakaschwili schockierte den Westen und eigene Landsleute, als er die Polizei auf Proteste der Opposition mit Tränengas und der Schließung des größten regierungskritischen Fernsehsenders reagieren ließ und den Ausnahmezustand verhängte. 70.000 Georgier hatten vorgezogene Neuwahlen gefordert und ihm vorgeworfen, im Kampf gegen Armut und Korruption versagt zu haben.
Nach der friedlichen Rosenrevolution im November 2003, als Saakaschwili den damaligen Staatschef Eduard Schewardnadse zu Fall gebracht hatte, waren die Hoffnungen der Georgier für das von Korruption und regionalen Konflikten geprägte Land groß. Jetzt wirft die Opposition der Regierung vor, dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Nutzen vom Wirtschaftsaufschwung habe. Die Armut ist weiterhin groß. Jeder Fünfte war im vergangenen Jahr ohne Arbeit; einige Experten befürchten sogar, dass es tatsächlich noch sehr viel mehr waren. Das Gefühl von sozialer Ungerechtigkeit ist geblieben.
Neue politische Krise?
Obwohl mehrere hundert Beobachter den Urnengang verfolgen werden, warnen einige Analysten vor einer neuen politischen Krise, sollte die Opposition die Abstimmung als unregelmäßig bezeichnen und ihre Anhänger wie im vergangenen November erneut auf die Straße schicken. Die Opposition hat bereits Massenproteste angekündigt, sollte es Anzeichen für Wahlbetrug geben.
Daten und Fakten zu Georgien
Die Opposition beklagte in den vergangenen Wochen, im Wahlkampf massiv benachteiligt zu werden. Die US-Bürgerrechtsorganisation Freedom House kritisierte in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Georgien-Bericht demokratische Rückschritte im Land. Unter Saakaschwili seien zuletzt die Rechte der Opposition eingeschränkt worden. Zudem gebe der Zustand der Medien im Land Anlass zur Sorge. Georgiens Führung müsse die Wahl nutzen, um international wieder Vertrauen in ihre Reformpolitik zu gewinnen, schrieb die Organisation. (stu)