Sahel: Militärjuntas und Menschenrechtler auf Kriegsfuß
14. Dezember 2024Die Berichte von Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International seien einseitig, findet die Militärjunta Nigers. Sie wollten das Land diskreditieren und gäben nicht die Bemühungen wider, Sicherheit und Grundrechte miteinander in Einklang zu bringen. Nigers Streitkräfte beanspruchen für sich selbst, die Menschenrechte durch ihren Kampf gegen terroristische Gruppen zu schützen.
Bisher kein offizielles Verbot
Im Zuge derartiger Kritik hatten einige Medien zuletzt berichtet, die Arbeit von HRW und Amnesty sei im Niger verboten worden. Beide Nichtregierungsorganisationen (NGOs) stellten jedoch gegenüber der DW klar, ein offizielles Verbot sei bislang nicht verhängt worden. HRW und Amnesty haben keine eigenen Büros in Niger, sondern arbeiten mit Informanten vor Ort zusammen. Und sie wollen das auch weiterhin tun.
Fakt ist: Seit dem Staatsstreich im Juli 2023, bei dem sich General Abdourahamane Tiani an die Macht putschte, hat die Militärregierung bereits etwa 200 lokale und internationale Organisationen suspendiert, weil sie angeblich gegen Regeln verstoßen hätten. Zahlreiche NGOs prangern regelmäßig Verstöße in Niger an, insbesondere im Bereich der politischen Unterdrückung und des Umgangs mit terroristischen Bedrohungen in der Sahelzone.
Der nigrische Zweig der NGO Transparency International, die weltweit gegen Korruption kämpft, zeigt sich von der restriktiven Haltung der nigrischen Behörden wenig überrascht.
"Die Machthaber möchten nicht darüber informiert werden, was in ihren Ländern vor sich geht", sagte Sekretär Wada Maman der DW. "Sie ziehen es vor, zu schweigen. Es stimmt nicht, dass die Menschenrechte geschützt und die von Niger unterzeichneten internationalen Gesetze akzeptiert werden."
HRW und Amnesty abzulehnen sei wie ein Eingeständnis, dass es etwas zu verbergen gibt. Die regierungsnahe Gruppe "Debout Niger" sieht das anders. Die Kritik der Junta an den NGOs sei richtig.
Ihr Anführer Ismael Mohamed erklärte gegenüber der DW: "Diese Gruppen diskreditieren Niger. Alle Organisationen und Länder der Welt sollten wissen, dass jeder, der versucht, sich in Nigers Angelegenheiten einzumischen, aus dem Land geworfen wird."
Die NGOs, die noch vor Ort in Niger arbeiten, sind äußerst vorsichtig geworden: Abdoul Aziz von der NGO Mojedec findet, dass Regierung und NGOs miteinander reden sollten, um Streit zu vermeiden: "Wir fordern die Regierung von Niger dazu auf, mit den NGOs zusammenzuarbeiten. Damit keine Dinge geschrieben werden, die unser Land diffamieren. Man sollte beiden Seiten zuhören."
Moussa Tiangari: Offenbar willkürlich verhaftet
Aktuell prangern unter anderem HRW und Amnesty die offenbar willkürliche Verhaftung des nigrischen Aktivisten Moussa Tiangari Anfang Dezember an. Der Generalsekretär der Organisation "Alternatives Espaces Citoyens" (AEC), der für seine kritische Position gegenüber den Militärbehörden bekannt ist, wurde von bewaffneten Männern, die sich als Polizisten ausgaben, in Niamey verhaftet.
"Sie drangen gewaltsam in unser Haus ein", zitierte HRW die Ehefrau von Tiangari, deren Name nicht genannt wurde. "Sie befahlen ihm, ihnen leise zu folgen, da sie nicht wollten, dass jemand erfährt, was vor sich geht."
"Moussa Tiangari gehört nicht ins Gefängnis, ebenso wenig wie mehrere andere Nigrer, die von der Regierung zu Unrecht verhaftet wurden, darunter der ehemalige Präsident Mohamed Bazoum und seine Frau", sagt Drissa Traoré, Generalsekretärin der International Federation for Human Rights (FIDH).
Am 10. Oktober hatte Nigers Juntachef ein Dekret unterzeichnet, mit dem neun Personen vorläufig die nigrische Staatsangehörigkeit entzogen wurde. Begründung: "Verschwörung gegen den Staat und Verrat". Alle neun Personen waren in der Regierung von Ex-Präsident Bazoum, der nach wie vor inhaftiert ist, in hohen Positionen tätig und befinden sich derzeit im Exil.
Niger, Mali, Burkina Faso: Unterdrückung, Haft, Exil
Den Vorwurf, kritische Stimmen durch willkürliche Verhaftungen zum Verstummen zu bringen, muss sich auch Malianhören. Beispiel: Youssouf Daba Diawara, ein enger Vertrauter des regimekritischen Imams Mahmoud Dicko, war wegen "Widerstand gegen die legitime Autorität" eingesperrt worden, nachdem er an einer nicht genehmigten Demonstration der Opposition teilgenommen hatte. Anfang Oktober wurde er wieder freigelassen.
Der malische Oppositionspolitiker Oumar Mariko sah sich sogar gezwungen, das Land zu verlassen. "Jemanden wegen seiner Meinungsfreiheit ins politische Exil zu zwingen, ist schlichtweg ein krimineller Akt", sagte er der DW. "Das Exil ist hart, doch für das Vaterland gibt es kein Opfer, das zu groß ist."
Zuletzt wurde im November der malische Oppositionspolitiker Issa Kaou Djim festgenommen, nachdem der Oberste Rat für Kommunikation im benachbarten Burkina Faso ihn beschuldigt hatte, die dortige Militärjunta beleidigt zu haben.
Auch in Burkina Faso selbst sind kritische Personen Repressionen ausgesetzt. Einige von ihnen wurden an die Front geschickt, um gegen Terroristen zu kämpfen - der ehemalige Minister Ablassé Ouedraogo etwa wurde von der Junta zwangsrekrutiert, obwohl er bereits über 70 Jahre alt war. Der Rechtsanwalt Guy Hervé Kam prangerte die Unterdrückung der Opposition an - und befindet sich noch immer in Haft.
"Wir sind sehr besorgt über die zunehmende Autokratie der drei Juntaführer, die die Grundrechte und -freiheiten stark einschränken", so Ilaria Allegrozzi von HRW gegenüber der DW.
Angriffe auf Menschenrechte auch in Guinea und Tschad
Auch im militärisch geführten Guinea gibt es beunruhigende Vorkommnisse: Die Menschenrechtsaktivisten Mamadou Billo Bah und Oumar Sylla wurden im Juli 2024 von vermummten Männern aus ihrem Haus entführt. Seitdem hat man nichts mehr von ihnen gehört. Die Behörden Guineas versichern, dass sie nichts mit dem Fall zu tun haben.
Auf der Liste der gewaltsam unterdrückten kritischen Stimmen steht auch Yaya Dillo im Tschad, der im März in den Räumlichkeiten seiner Partei bei einem Einsatz der Armee getötet wurde. Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei ohne Grenzen galt als wichtigster Gegner der tschadischen Junta. Seine Angehörigen bezeichneten seinen Tod als "Mord".
Die Verschleppungen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen bestätigen den autoritären Charakter der Militärregime, sagt Dany Ayida, Leiter des US-amerikanischen National Democratic Institute for International Affairs (NDI) in der DR Kongo.
"Sie stellen die Versprechen dieser Herrscher in Frage, mehr Freiheit, mehr Würde in die öffentliche Verwaltung zu bringen. Alle anderen Institutionen werden von der Militär-Exekutive kontrolliert. Die Herrscher dieser Länder legen Wert auf ihr Image und lassen keinen Widerspruch zu."
Genau das ist jedoch die erklärte Aufgabe einiger internationaler NGOs: immer wieder zu widersprechen, wenn Freiheiten eingeschränkt und Menschenrechte verletzt werden.