Ungleicher Zweikampf
15. April 2014Der Europäischen Union ist es gelungen, trotz erheblicher Meinungsunterschiede zwischen den Außenministern ein einheitliches Bild in der Ukraine-Politik zu wahren. Einige Minister wollten härtere Sanktionen gegen Russland jetzt, andere wollten auf Strafmaßnahmen gegen Moskau lieber ganz verzichten. Am Ende einigten sich die Vertreter der 28 Staaten auf eine einheitliche Linie, die nach außen hin auch geschlossen verkauft wurde: Ausweitung der Sanktionen durch weitere Einreiseverbote und Kontosperren, Verhandlungen in der Vierer-Kontaktgruppe in Genf und schließlich Beschlussfassung über härtere Wirtschaftssanktionen in der kommenden Woche, falls das nötig wird. Diplomatisch verschachtelt und kompliziert, aber ein gangbarer Kompromiss für alle Mitgliedsstaaten.
Letzte Frist
Die EU gewährt Russland eine allerletzte Frist, um eine konstruktive Mitarbeit Moskaus an der Entschärfung der explosiven Lage in der Ukraine zu erreichen. Die Schuld an der Zuspitzung der Lage trägt die russische Führung. Da ließen die EU-Minister keinen Zweifel. Die angeblichen Hilferufe von russischsprachigen Ost-Ukrainern sind bestellt und genauso falsch wie die Hilferufe, die vor vier Wochen von der Krim zu hören waren. Jetzt will die EU verhindern, dass die Ostukraine nach dem gleichen russischen Drehbuch wie die Krim aus dem Staat gelöst wird. Die Ukraine wäre am Ende, Russlands Präsident Wladimir Putin hätte sein Ziel erreicht. Die Wahlen im Mai würden gestrichen, der Staat würde vielleicht im Chaos versinken.
Lenkt Russland bei den kommenden Vierergesprächen mit den USA, der EU und vor allem auch der Ukraine nicht ein, dann ist guter Rat allerdings teuer. Dann müsste die EU nach den heutigen Beschlüssen Strafmaßnahmen mit empfindlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verhängen, um noch glaubwürdig zu bleiben. Wird Wladimir Putin den Konflikt weiter auf die Spitze treiben? Warum sollte er nicht, was hat er schon zu verlieren? Die EU-Außenminister werden sich in Luxemburg diese Frage auch gestellt haben und mit Schrecken erkannt haben, dass sie in Wahrheit nicht viel in der Hand haben gegen den neuen Zaren. Wenn militärische Optionen ausgeschlossen bleiben, und das sollten sie, dann gibt es nur wenig, was Russland in seinem nationalen Taumel abschrecken könnte.
Kann es denn wirklich sein, dass die Welt zusehen muss, wie ein skrupelloser Präsident sich eine selbst definierte Einflusszone einverleibt? Im Moment lautet die Antwort wohl leider ja, da dem Machtmenschen im Kreml wirtschaftliche Folgen seiner Politik und sein Ansehen im Rest der Welt, außer bei Assad und Co., wohl reichlich egal sind.
Die EU sieht im Verbund mit den USA da recht hilflos aus, aber wenigstens ist sie noch geschlossen. Wladimir Putin konnte bislang keinen Keil in die Phalanx treiben, auch wenn er es mit dem Energiehebel und anderen Drohungen versucht. Die Lunte am Pulverfass Ukraine ist gelegt. Das russische Streichholz, das die Lunte entzünden könnte, brennt schon und ist nur noch wenige Zentimeter entfernt. Die EU muss standhaft bleiben und der Ukraine zusammen mit dem IWF kräftig unter die Arme greifen. Sie darf sich auch von den 40.000 russischen Soldaten der Grenze der Ukraine nicht einschüchtern lassen und sollte jetzt mehr eigene Beobachter, Ausbildungsmissionen für Polizei, Justiz und Verwaltung in das Land schicken. Das russische Zündeln darf nicht belohnt werden.