Saudi-Arabiens Schätze
5. Februar 2012Drei Stationen hat die Ausstellung, mit der das saudische Königreich momentan auf sich aufmerksam macht, schon hinter sich. Erst in Paris, Barcelona und dann in St. Petersburg konnten Besucher das kulturhistorische Erbe Saudi-Arabiens unter die Lupe nehmen. Auch Experten islamischer Kunstgeschichte sollen überrascht gewesen sein, heißt es.
Seit dem 26. Januar zeigt nun auch das Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum Berlin die Ausstellung "Roads of Arabia. Archäologische Schätze aus Saudi-Arabien". Die über 400 Objekte von der arabischen Halbinsel spannen einen Bogen von der Antike bis in die islamische Neuzeit. Die meisten Exponate sind Leihgaben aus saudi-arabischen Museen, etwa 80 stammen aus Berliner Beständen.
Selbst im renommierten Museum für Islamische Kunst mit einem Besucherrekord von 732.000 im letzten Jahr ist Saudi-Arabien Neuland. Direktor Stefan Weber sieht die Aufgabe seines Museums in der Massenbildung. "Es geht uns darum, der Diskussion um den Islam eine kulturhistorische Dimension hinzuzufügen."
Jahrzehntelange Ahnungslosigkeit
Das Museum, das 2013 bei der Sanierung des Pergamonmuseums in den Nordflügel ziehen wird, deckt fast die gesamte islamische Welt ab. Nur Saudi-Arabien fehlte eben noch. Somit ist "Roads of Arabia" ein Glücksgriff für Berlin und fügt sich perfekt in die bestehende Sammlung ein. "Über diese Region wissen wir so gut wie nichts. Viele Wissenschaftler haben dort Jahrzehnte lang nichts vermutet", sagt Weber.
Doch das hat sich nun geändert. Die neue Ausstellung dokumentiert einen Paradigmenwechsel vom Klischee einer kargen Wüstennation zu einem Land, das Kunstgeschichte geschrieben hat. Lange Jahre hat Saudi-Arabien seine Schätze vernachlässigt. Aber in den letzten Jahren, so Weber, habe das Königreich viel getan für den Erhalt seines Erbes.
Um das zu unterstreichen, ist auch Ali al-Ghabban, Vizepräsident der Saudischen Kommission für Tourismus und Antiquitäten, zur Pressekonferenz ins Pergamonmuseum gekommen. Hier am Tisch vor zwei kolossalen Steinsäulen bedankt er sich zunächst für die Gelegenheit, "der deutschen Öffentlichkeit die glorreiche Vergangenheit Saudi-Arabiens zu zeigen." Was Saudi-Arabien heute ist, habe es auch seiner Vergangenheit zu verdanken.
Ist das also als eine Öffnung der eigenen Geschichte gegenüber der Welt zu verstehen? "Dafür ist es nie zu spät. Das Erbe ist wichtig für unsere Zukunft. Wir sehen darin auch eine Wirtschaftressource", sagt al-Ghabban. Zurzeit baut das Königreich an elf neuen Museen, die der Historie mehr Raum verschaffen sollen.
Natürlich ist die Ausstellung auch Promotion für das Königreich. Kritik muss sich Stefan Weber deshalb immer wieder anhören. Denn die Frage, ob es richtig ist, mit einem autoritären Staat zusammenzuarbeiten, stellt sich bei Saudi-Arabien wie von selbst. Dass aber gerade die Kulturarbeit immer wieder in die Kritik gerate, wo doch kaum einer ein Problem damit habe, saudisches Öl in seinen Tank zu füllen, stört den Museumsdirektor. Vorsichtig spricht er die Worte "Wandel durch Kulturgeschichte" aus.
Veränderte Geschichtswahrnehmung
"Roads of Arabia", also eine Zeitreise entlang der alten Handels- und Pilgerstraßen, beginnt mit den frühen Menschheitsspuren. Von prähistorischen Pfeilspitzen gelangt der Besucher chronologisch an steingefertigten Menschenstelen aus dem 4. Jahrtausend vor Christus vorbei zu den Artefakten antiker Karawanenstädte. Dass die über vier Jahre geplante Ausstellung damit einen starken Akzent auf die Antike setzt, ist im Kernland des Islams keine Selbstverständlichkeit.
Im Islam wird die Zeit vor der Offenbarung Mohammeds mit dem Wort "Dschahiliyya" benannt, auf Deutsch gemeinhin als "Zeit der Unwissenheit" übersetzt. Im orthodoxen Sinne ist die vorislamische Zeit eine Ära der Barbarei und Vielgötterei. In der Ausstellung aber findet man eine Abkehr vom Bild der dunklen "Dschahiliyya". Der Blick weitet sich auf die Kontinuität in der Geschichte der arabischen Halbinsel. Das kann man durchaus als Zeichen des Wandels werten. Die Ausstellung führt weiter zu den Kolossalstatuen des Königreichs Dedan aus dem 1. Jahrtausend vor Christus. Kontrastreich platziert in einem schwarz spiegelnden Raum schauen die steifen Riesen herab auf die Besucher. Die Steincharaktere weisen in ihrem Stil altägyptische Einflüsse auf und zeugen damit von einer überregionalen Kunstrezeption.
Eine weitere Abteilung widmet sich den historischen Pilgerrouten, die bereits in vorislamischer Zeit wichtige Handelswege darstellten. Doch erst unter den Kalifaten der Umaiyaden und Abbasiden entwickelte sich am Rande der Wallfahrtsstraßen von Damaskus und Bagdad nach Medina eine großflächige Infrastruktur zur Versorgung von Pilgerströmen. Alltägliche Objekte und importierte Keramik zeugen von einem regen gesellschaftlichen Leben.
Reise nach Mekka
Als hätte der Besucher selbst die Pilgerfahrt unternommen, findet er sich nach einem schmalen Treppenabgang gegenüber dem Portal der Kaaba wieder. Die Pracht und Größe des Portals in den Scheinwerfern der intelligent konzipierten Ausstellung lässt den Betrachter einen Moment innehalten.
Die massive silberne Eingangstür mit Floralornamenten und Schriftkunst stammt aus osmanischer Zeit und wurde im Zuge von Renovierungsarbeiten an der Kaaba ausgewechselt. An der Seite des Raumes hängt ein großer Türvorhang. Genauso wie die schwarzen Stoffbahnen um das Heiligtum, genannt Kiswa, wird er jedes Jahr erneuert. Den Kiswa zerschneidet man nach einem Brauch aus vorislamischer Zeit in Einzelteile und verteilt diese an ehrbare Persönlichkeiten. Einzelne Kiswa-Fragmente sind neben den illustrierten Ausgaben iranischer Pilgerbücher ausgestellt.
Die Objekte der Kaaba und Stadtgeschichte Mekkas sind wie die ganze Ausstellung Novum in einem deutschen Museum. "Saudi-Arabien ist bei uns festgelegt auf wenige Dinge wie Sand, Prinzen und die Tatsache, dass Frauen nicht Auto fahren dürfen", sagt Christian Gierlichs, Kurator der Ausstellung. "Roads to Arabia" eröffnet uns einen erhellend anderen Blickwinkel auf ein Land, das man zu kennen glaubt, aber das doch vielen von uns noch sehr fremd ist.
Autor: Marian Brehmer
Redaktion: Gudrun Stegen