Schatten über dem EU-Außenministertreffen am Gardasee
5. September 2003Der Gastgeber des informellen Treffens, der italienische Außenminister Franco Frattini, wirkte leicht übernächtigt, als er seine 14 Ministerkollegen aus der Europäischen Union im malerischen Urlaubsort Riva am Gardasee empfing. Frattini kam nämlich in der Nacht direkt aus den USA, wo er sich von US-Außenminister Colin Powell die Antwort auf die deutsch-französische Kritik am UN-Resolutionsentwurf zum Irak anhören musste.
Das Minister-Treffen steht unter dem Eindruck des neuen US-Vorstoßes zu einer Irak-Resolution der Vereinten Nationen. Das Thema Irak stand bei den zweitägigen Gesprächen in Riva am Gardasee zwar erst am Samstag (6.9.) auf dem Programm. Die Außenminister Deutschlands und Großbritanniens, Joschka Fischer und Jack Straw (Foto, l.), sprachen über das Thema aber bereits bei der Anreise, wie es in EU-Kreisen hieß.
Zerstritten
Die europäischen Außenminister bleiben über den Weg in der Irak-Politik zerstritten. Frankreich, Deutschland und andere wollen die USA dazu bewegen, die politische Macht im Irak möglichst weitgehend auf die Vereinten Nationen zu übertragen, bevor eine multinationale Sicherheitstruppe mit UN-Mandat eingesetzt wird. Anders dagegen Großbritannien, Italien und Spanien, die selbst Truppen im Irak stationiert haben: Diese Länder unterstützen den amerikanischen Vorschlag, politische und militärische Führung im Irak in den Händen der bisherigen Besatzungsmächte USA und Großbritannien zu belassen. Auf der Grundlage des Resolutionsentwurfs soll nun weiterverhandelt werden.
US-Außenminister Colin Powell hat Deutsche und Franzosen aufgefordert, konkrete Vorschläge zu machen. Bundesaußenminister Joschka Fischer schließt aus, dass die Bundeswehr - egal unter welchem Mandat - im Irak eingesetzt wird. Frankreich hält sich diese Option offen, nicht zuletzt, um auch an lukrative Aufträge beim Wiederaufbau im Irak und in der Ölindustrie heranzukommen.
Uneinig
Uneinig sind die Europäer, wenn es um die eigene Zukunft geht. Unter italienischem Vorsitz soll bis zum Jahresende die erste EU-Verfassung zwischen den Regierungen der 15 alten und der zehn neuen EU-Mitglieder verabschiedet werden. Deutschland, Frankreich und Italien wollen den vom EU-Konvent im Juli vorgestellten Kompromiss möglichst nicht mehr antasten, während 15 kleinere Staaten, aber auch Großbritannien und die EU-Kommission, mit einer Reihe von Änderungswünschen aufwarten. Es geht um die Machtverteilung innerhalb der verschiedenen EU-Institutionen und um den Einfluss, den die nationalen Regierungen noch haben werden. Bis zum 9. Mai 2004 soll die Verfassung von allen neuen und alten Europäern unterschrieben sein. Dann folgt ein Ratifizierungsprozess, mit Volksabstimmungen wo nötig, der bis Ende 2005 dauern soll.
Welche militärische Rolle die Europäische Union künftig spielen soll, ist ebenfalls umstritten. Die vier Staaten, die im April dieses Jahres mit einem eigenen Gipfeltreffen vorgeprescht waren, also Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg, wollen eine eigenständige militärische Rolle für die EU und damit größere Unabhängigkeit von der NATO, in der die USA den Ton angeben. Großbritannien uns Spanien wollen dagegen eine enge Kooperation mit der NATO, um parallele Strukturen zu vermeiden. Einig sind sich die EU-Staaten aber immerhin in dem Ziel, die Terrorismus-Bekämpfung zu verstärken.
Blockade
Etwa 250 Globalisierungsgegner blockierten Zufahrtsstraßen nach Riva. Die Blockaden wurden von der Polizei geräumt. Italienische Aktivisten hatten angekündigt, dass am Samstag (6.9.) bis zu 20.000 Demonstranten in der Urlauberidylle protestieren würden. Die Außenminister erreichten das Tagungshotel am Seeufer per Hubschrauber oder Schiff. Joschka Fischer musste mit anderen Kollegen an Bord seines Dampfers allerdings eine Stunde länger über den See schippern, weil eine Anlegestelle aus Sicherheitsgründen nicht genutzt werden konnte.