Was will Schweden während der EU-Ratspräsidentschaft erreichen?
1. Juli 2009Die Schweden haben eine besonders schwierige Präsidentschaftsperiode erwischt. Die Frage des Lissabon-Vertrages über eine institutionelle Reform der Union ist immer noch ungeklärt. Nach dem neu gewählten Europa-Parlament steht jetzt auch ein Wechsel der Kommission an, es gibt dabei allerlei Gezerre zwischen den Mitgliedsstaaten und dem Parlament um wichtige Posten. Und natürlich ist die Wirtschaftskrise noch längst nicht vorbei: Sie dürfte gerade im Herbst und Winter die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben.
Klimafreundliches Wachstum
Schließlich wird sich im Dezember in Kopenhagen zeigen, ob die Welt sich zu einem verbindlichen neuen Klimaschutzabkommen durchringt. Die schwedische Europaministerin Cecilia Malmström glaubt, Wirtschaft und Klima, das gehöre zusammen: "Wir werden unser Mögliches tun, um zu einem weltweiten Klima-Abkommen in Kopenhagen zu kommen, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken. Wir müssen dafür sorgen, dass die EU mit einer Stimme spricht, dass wir zusammenhalten." Schweden werde Wege suchen, wie die EU die Wirtschaftskrise und die Klimakrise nutzen könne, um ein klimafreundlicheres Wachstum zu erreichen.
Solide Haushaltspolitik als Markenzeichen
Der konservative schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt hat sich in seinem Land einen Namen als Sanierer des Wohlfahrtssystems gemacht. Es war lange vor der Wirtschaftskrise unbezahlbar geworden. Auch auf europäischer Ebene ist Reinfeldt als Sparer bekannt. Im März dieses Jahres, als überall in der EU teure Konjunkturprogramme aufgelegt wurden, war er einer der ersten Regierungschefs, die zur Vorsicht mahnten: "Europa kommt allmählich an den Punkt, an dem es alles getan hat, was es konnte." Viele europäische Volkswirtschaften bekämen außerdem riesige Haushaltsdefizite. Das wiederum schaffe neue Probleme, zum Beispiel höhere Zinsen und höhere Steuern, um diese Defizite auszugleichen. Eine solide Haushaltspolitik dürfte daher zu einem der Markenzeichen der schwedischen Ratspräsidentschaft werden.
Stabilität auf dem Balkan nur durch EU-Beitriite
In der Außenpolitik kann das Land einen Mann mit besonderem Kaliber vorweisen: Carl Bildt hat nicht nur als früherer Regierungschef, sondern auch als internationaler Vermittler auf dem Balkan Erfahrungen gesammelt. Vielleicht gerade wegen der Balkan-Mission drängt er mehr als andere darauf, dass nach und nach alle Länder des westlichen Balkan der EU beitreten. Nur so, glaubt er, lässt sich Stabilität in diesem Teil Europas schaffen.
Und auch ein EU-Mitglied Türkei ist für ihn im Gegensatz zu vielen anderen konservativen europäischen Politikern kein Schreckgespenst. Was er vermisst, ist eine ehrliche Auseinandersetzung. "Meine Vision von Europa ist ein Europa, das das ganze Europa umfasst. Meine Vision ist nicht ein Europa, das bestimmte Länder, Glaubensrichtungen oder Nationalitäten ausschließt", sagt Carl Bildt. Das sei eine sehr ehrgeizige Vision. "Ich verstehe all die Schwierigkeiten, die mit ihr verbunden sind. Aber der einzige Weg, mit dem Thema umzugehen, ist eine offenere Debatte. Vielleicht haben wir das bisher zu wenig getan", ergänzt der frühere Regierungschef.
Island erfüllt bereits die meisten Brüsseler Forderungen
Viele Menschen auf dem westlichen Balkan und in der Türkei verfolgen dabei mit einer Mischung aus Zorn und Neid, wie offen die EU mit einem anderen Land umgeht, das vielleicht schon bald einen EU-Aufnahmeantrag stellen könnte: Und das ist Island.
Doch Bildt will Vorwürfe einer Doppelmoral nicht gelten lassen. Island erfülle bereits jetzt die meisten Brüsseler Forderungen an einen Beitrittskandidaten und habe der EU einiges zu bieten: "Die Isländer haben eine tausendjährige Parlamentsgeschichte. Sie gehören außerdem seit Beginn der neunziger Jahre zum gemeinsamen Markt der EFTA." Nach Bildts Meinung würde Island der Europäischen Union eine Rolle in den immer wichtigeren Fragen der Arktis geben.
Schon jetzt ist abzusehen, es wird eine spannende, ereignisreiche Präsidentschaft. Doch egal, was sie bringen wird, die Schweden haben bisher den Eindruck vermittelt, der Aufgabe gewachsen zu sein.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Christina Hebel