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Bedrohliche Szenarien

Daphne Grathwohl25. Mai 2012

In drei Wochen wählen die Griechen erneut. Entscheiden sie sich für die Gegner des Sparkurses, rückt der Ausstieg des Landes aus der Eurozone näher. Die Folgen für Griechenland wären fatal und für die EU unabsehbar.

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Der Parthenon in Athen unter dunklen Wolken - Symbolbild für die griechische Schuldenkrise (Foto: AP/dapd)
Dunkle Wolken über AthenBild: AP

Aus europäischer Sicht sind es beunruhigende Zahlen, die aus Athen gemeldet werden: Nach Umfragen könnte das Bündnis der radikalen Linken (Syriza) bei der Neuwahl am 17. Juni auf 30 Prozent der Stimmen kommen und damit stärkste Kraft im Parlament werden. Was das bedeutet, hat Syriza-Chef Alexis Tsipras klar gemacht: die Aufkündigung des Sparkurses.

Paradoxerweise glauben aber mehr als die Hälfte der Griechen etwas anderes, so auch Janis Emmanouilidis vom Brüsseler Think Tank European Policy Centre (EPC): "Das wahrscheinlichere Szenario ist, dass eine Regierung gebildet wird, die von der konservativen Nea Dimokratia geführt wird." Die Konservativen würden den Spar- und Reformkurs mittragen.

Jahrelange Reformen erforderlich

Eine Erklärung für die unterschiedlichen Umfrage-Ergebnisse könnten sein, dass die Wähler sich nicht trauen, offen zu sagen, dass sie vielleicht doch die alten Parteien wählen, die die aktuelle Misere herbeigeführt haben, glauben Beobachter. Oder dass die Wähler den Druck aufrecht erhalten wollen – auf die alten Parteien und auf Europa.

Alexis Tsipras, Parteichef des linken Bündnisses Syriza bei einem Treffen mit Klaus Ernst und Gregor Gysi von der Partei Die Linke in Berlin (Foto: AP)
Syriza-Chef Alexis TsiprasBild: dapd

Dabei wird jede neue Regierung zumindest in Verhandlungen mit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalen Währungsfonds (IWF) treten müssen. Wenn man das Land aus der Krise führen wolle, komme man um Reformen nicht herum, bekräftigt Janis Emmanouilidis vom EPC. Und die würden Jahre dauern und sowohl ökonomischer als auch politischer und sozialer Natur sein: "Denn Griechenland muss sich radikal reformieren, ansonsten wird es sich nicht aus der Krise herausmanövrieren können."

Aus der Krise herausmanövrieren bedeutet, in der Eurozone bleiben zu können – und das wollen mehr als 80 Prozent der Griechen. Gleichzeitig sprechen sich aber knapp zwei Drittel von ihnen gegen das Sparpaket aus. Noch so ein – aus EU-Sicht – paradoxes Umfrage-Ergebnis. Doch das Land befindet sich in der Rezession, etwa ein Viertel aller Erwerbsfähigen sind arbeitslos. Den Sparkurs ohne paralleles Wachstumsprogramm wollen und können die Griechen nicht mittragen. Die Aussage des Linkspopulisten Alexis Tsipras, die EU bluffe ja nur mit dem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, fällt da auf fruchtbaren Boden.

"Beide Seiten bluffen"

"Auf beiden Seiten wird geblufft wird. Es ist ein hartes Verhandlungsspiel", beobachtet Janis Emmanouilidis. Die EU argumentiert, dass sie den Austritt eines Landes aus der Währungsunion verkraften könne. Und so wird das Ausstiegsszenario durchgespielt und vorbereitet – bei Banken und Unternehmen ebenso wie auf politischer Ebene: "Selbstverständlich ist es so, dass wir uns auf alle Szenarien einstellen müssen, weil wir sonst unserer Aufgabe nicht gerecht würden", erklärte der Eurogruppen-Chef Jean Claude Juncker auf dem EU-Gipfel am Mittwoch (23.05.2012)

Panagiotis Pikrammenos, Griechenland Interims-Ministerpräsident (Foto: Reuters)
"Mein Name qualifiziert mich für den Job", scherzte Interims-Premier Pikrammenos - auf Deutsch: der VerbitterteBild: Reuters

In Griechenland halten die Gegner des Sparkurses dagegen, dass die Troika die Folgen eines solchen Austritts gar nicht absehen könnten und das Land deshalb unterstützen müssten, auch wenn es seine Vereinbarungen nicht einhält. Eine falsche Argumentation, davon ist Janis Emmanouilidis vom EPC überzeugt: Denn wenn ein Land die Eurozone verlasse, bestünden immer Risiken, sagt der EU-Experte. "Gleichzeitig aber zu glauben, dass die Partner Griechenland auf lange Zeit unterstützen werden, auch wenn man sich nicht an die Vereinbarungen hält, wäre auch falsch." Dieses Spiel sei für beide Seiten gefährlich, so Emmanouilidis weiter.

Teurer Ausstieg

Dass ein Austritt aus der Währungsunion für Griechenland fatal wäre, bezweifelt kaum jemand. Welche Konsequenzen er für die Eurozone und die EU hätte, wird aber kontrovers diskutiert. Die einen sehen ein Ende mit Schrecken, das den europäischen Krisenherd löschen würde, andere – wie der Bundesbank-Chef Jens Weidmann – warnen vor unabsehbaren Folgen für Europa. Immer wieder wird der Domino-Effekt beschworen, durch den auch andere Krisenstaaten in Bedrängnis gebracht werden könnten. Janis Emmanouilidis gibt außerdem zu bedenken, dass der Austritt – juristisch nicht geregelt und praktisch schwer zu organisieren – etwas kosten würde: Denn ein Land sei nur bei entsprechend ausverhandelter Gegenleistung bereit, freiwillig auszutreten.

Bankkunden vor Bankautomat in Griechenland (Foto: dpa)dfunk+++
Vor dem Euro-Austritt kommt der Run auf die BankenBild: picture-alliance/dpa