Trump löst Ängste bei den Deutschen aus
19. Januar 2017Das ungläubige Staunen darüber, welchen Präsidenten sich die USA herbeigewählt haben, dauert in Deutschland unvermindert an. Manchen hierzulande kommt es vor wie ein böser Traum. Aber statt eines schweißnassen Erwachens steht jetzt tatsächlich die Amtseinführung Donald Trumps auf dem Programm. "Wenn er in Deutschland zur Wahl gestanden hätte, wäre er nicht Präsident geworden", stellt der Meinungsforscher Michael Kunert klar, Geschäftsführer des Umfrageinstituts infratest dimap. Seine Erhebungen zeigen, dass mit der Wahl Trumps das deutsche Vertrauen in die USA rasant abgesackt ist. Auf die Frage: "Sind die USA ein verlässlicher Partner?" antwortete vor der Wahl jeder zweite Deutsche mit "Ja", nach der Wahl nur noch jeder fünfte.
"Das Misstrauen strahlt auf das gesamte politische System ab, das Trump möglich gemacht hat", erläutert Kunert. Er findet es bemerkenswert, wie deutlich die Ablehnung in Deutschland ausfällt. "Irgendetwas muss da verloren gehen, beim Informationstransport über den Atlantik."
Stimmen aus der Bevölkerung zeigen die Irritation über den 45. Präsidenten der USA. "Donald Trump finde ich extrem bedenklich", sagt eine junge Passantin im Berliner Regierungsviertel, die sich mit Katharina vorstellt. Nicht nur, dass da jemand mit Fake News in diese machtvolle Position aufsteige, es sei auch sehr gefährlich, dass sich andere populistische Politiker gestärkt fühlen könnten, erklärt sie.
Trump wird am Freitag vereidigt - darauf lässt sich auch rührend irrational reagieren: "Tief drinnen hoffe ich eigentlich immer noch, dass im letzten Augenblick eine gute Fee kommt und den ganzen üblen Spuk beendet", meint Marion Rößner, die in Berlin als Hebamme arbeitet. Sie lächelt schmal: "Ich mache mir auch Sorgen wegen meiner Freunde in Amerika."
Kurt Weser aus Limburg an der Lahn mach sich ebenfalls Sorgen, aus politischen Gründen - die internationale Zusammenarbeit bei Konflikten, die Zukunft der NATO: "Das, was er bisher gesagt hat, war wenig überzeugend, da müssen wir erst mal abwarten, was jetzt passiert", rät er.
Gegenteilige Stimmen sind schwer zu finden, aber es gibt sie. Susanne Walter hält Donald Trump für die bessere Wahl. "Mit Hillary Clinton hätte es wahrscheinlich den Dritten Weltkrieg gegeben", meint sie Walter mit Blick auf das Verhältnis der USA zu Russland. Sie findet es auch gut, dass Trump mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hart ins Gericht gegangen ist und deren Flüchtlingspolitik einen "katastrophalen Fehler" genannt hat.
Skeptische Politiker
Den politischen Akteuren in Deutschland ist bisher nicht viel mehr übrig geblieben, als die Amtsübernahme Trumps abzuwarten und im Hintergrund zu sondieren, was dem Land und der internationalen Gemeinschaft nun bevorsteht. Schließlich sind die Signal von der anderen Seite des Atlantiks äußerst widersprüchlich.
Ein Interview ohne kritische Nachfragen mit schwer zu interpretierenden Antworten in der deutschen Boulevardzeitung "Bild" vor wenigen Tagen hat die Verwirrung verfestigt. "Es gibt keine Anzeichen, dass das irgendwie gut wird", zeigt sich der verteidigungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Rainer Arnold, enttäuscht. Trumps Geringschätzung von EU und NATO ist Wasser auf die Mühlen des Sozialdemokraten - Arnold geht nicht davon aus, dass Trump "irgendwie vernünftig" ist. Er hofft auf die einhegende Wirkung des US-amerikanischen politischen Systems.
Roderich Kiesewetter, Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, tendiert in die gleiche Richtung. "Es gibt da nichts zu beschönigen", konstatiert der CDU-Außenpolitiker. Aber es helfe nichts, jetzt in der Enttäuschung zu verharren: "Wir Europäer haben Trump viel Positives entgegenzusetzen", ist Kiesewetter überzeugt und verweist auf das Demokratie-, Politik- und Freiheitsverständnis der Bürger in Deutschland und den Nachbarländern. Trump könnte helfen, die eigenen Stärken zu erkennen. "Es ist eine Chance für Europa", sagt Kiesewetter. Sein Bundestagskollege von der Linken, Jan van Aken, ist dagegen illusionslos: "Das wird eine grauenvolle Steigerung von George W. Bush in der Außenpolitik."
Allein die rechtsnationalistische Partei AfD hat sich bisher dezidiert über einen Präsidenten Trump gefreut. Zumindest die Parteispitze - denn auch unter den AfD-Wählern überwiegt die Skepsis, wie eine Untersuchung des Instituts forsa nahe legt.
Optimistische Unternehmer
"Sowohl Politik als auch Wirtschaft verbinden mit Trump erhebliche Risiken, aber in der Wirtschaft gibt es auch ein Tendenz, den Amtswechsel positiv zu sehen", meint Renate Köcher, Geschäftsführerin den Instituts für Demoskopie Allensbach im Gespräch mit der DW. Die Hälfte der politischen Entscheider glauben, dass Trump dafür sorgt, dass sich die Beziehungen zur USA verschlechtern, bei der Wirtschaft sind es einige weniger, 41 Prozent. Trotz der von Trump angedrohten Strafzölle und einer Behinderung des Freihandels rechnen sich 64 Prozent der befragten deutschen Wirtschaftsführer Chancen für ihre Unternehmen aus. Köcher folgert: "Wahrscheinlich muss man grundsätzlich optimistisch eingestellt sein, wenn man in der Wirtschaft ist."