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Politik

Aktuell: IAEA auf dem Weg nach Saporischschja

29. August 2022

Nach wochenlangem Gezerre machen sich Atom-Experten auf den Weg zum umkämpften Atomkraftwerk. Die ukrainische Armee startet nach eigenen Angaben eine neue Offensive im Süden des Landes. Ein Überblick.

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Ukraine-Krieg Saporischschja Atomkraftwerk
Das leistungsstärkste Atomkraftwerk Europas ist seit März in russischer Hand - und geriet immer wieder unter BeschussBild: Konstantin Mihalchevskiy/SNA/IMAGO

  Das Wichtigste in Kürze:

  • IAEA-Inspekteure auf dem Weg nach Saporischschja
  • Ukraine startet Offensive Richtung Cherson
  • Kanzler Scholz hält Europa-Rede in Prag
  • Tschechien erhält im Ringtausch deutsche Leopard 2 Panzer
  • EU-Kommission will Strommarkt reformieren

 

Ein Expertenteam der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hat sich auf den Weg zum umkämpften ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja gemacht. Behördenchef Rafael Grossi schrieb auf Twitter, er sei stolz darauf, diese Mission zu leiten, die später in dieser Woche an dem Kraftwerk eintreffen solle.

Russische Truppen hatten das leistungsstärkste Atomkraftwerk Europas bereits im März unter ihre Gewalt gebracht. Seitdem war es wiederholt beschossen worden, zuletzt an diesem Wochenende. Beide Seiten machen einander für den Beschuss verantwortlich und erklärten zugleich, bislang sei keine Strahlung ausgetreten.

Beide Seiten veröffentlichten Videos, die durch Artilleriebeschuss in Brand gesetzte Autos in einem von Kraftwerksbediensteten bewohnten Viertel der nahegelegenen Stadt Enerhodar zeigen sollen. Die russische Besatzungsverwaltung spricht von neun Verletzten. Sie wirft Kiew zudem einen versuchten Drohnenangriff vor, der einem Lager mit verbrauchten Brennelementen gegolten habe: Das Fluggerät sei abgeschossen worden und auf die Sicherheitshülle über einem Reaktor gefallen. Die Sprengstoffladung sei detoniert, ohne einen Schaden anzurichten. Die ukrainische Führung warnt seit längerem, Moskau plane "eine Art Provokation" in Saporischschja.

Im Land wächst die Sorge vor einem Störfall, wie es ihn im Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 schon einmal erlebt hatte.

Ukraine startet Offensive Richtung Cherson

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben eine Großoffensive gestartet. Ziel sei die Rückeroberung der seit Monaten von russischen Truppen besetzten Großstadt Cherson im Süden des Landes. In der gesamten Region liefen "starke Artillerieangriffe auf feindliche Stellungen", sagte der stellvertretende Chef des Regionalrats, Serhij Chlan, dem Fernsehsender Prjamyj TV. Die Angaben der beiden Kriegsparteien lassen sich allerdings von unabhängiger Seite kaum überprüfen.

Russland -Ukraine Krieg
Ein Soldat der ukrainischen Armee, hier eine Aufnahme nahe der Hauptstadt KiewBild: Andrew Kravchenko/AP/picture alliance

Frontlinie läuft über 2000 Kilometer

Nordwestlich der Großstadt Donezk versuchten prorussische Separatisten und russische Truppen, das Dorf Perwomajske anzugreifen. Auch dieser Angriff sei abgewehrt worden, so der Generalstab. In jener Region hatte die Ukraine zuletzt die Kontrolle über den Donezker Vorort Pisky verloren. Dutzende Orte entlang der mehr als 2000 Kilometer langen Frontlinie seien von russischen Panzern, Rohr- und Raketenartillerie beschossen worden, hieß es weiter aus Kiew. An mehreren Stellen der Front verzeichnete der Generalstab außerdem Erkundungsflüge russischer Drohnen. 

Russland -Ukraine Krieg
Zerstörte Wohnhäuser in der Stadt Bachmut im DonbassBild: Anatolii Stepanov/AFP

Selenskyj kündigt "Antwort" an

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit den Spitzen von Militär und Sicherheitsapparat über die nächsten Schritte im Krieg gegen Russland beraten. Selenskyj ging auch in seiner abendlichen Videoansprache auf die Sitzung ein. Details nannte er nicht, kündigte jedoch an: "Die Besatzer werden die Folgen spüren, in den weiteren Aktionen unserer Verteidiger." Kein Angriff auf ukrainische Städte werde unbeantwortet bleiben. "Saporischschja, Orichiw, Charkiw, Donbass - sie werden für alle eine Antwort bekommen", sagte Selenskyj.

Ukraine Wolodymyr Selenskyjs abendliche Videobotschaft
Man sieht ihm die Anstrengungen der vergangenen Monate an: Präsident SelenksyjBild: Ukrainisches Präsidialamt

Er nannte besonders die Bergbau- und Stahlstadt Donezk, die seit 2014 von aus Moskau gesteuerten Separatisten beherrscht wird. "Das stolze und glorreiche ukrainische Donezk wurde von der russischen Besatzung gedemütigt und ausgeraubt", sagte der Präsident. Die Ukraine werde Donezk, Mariupol und alle Städte des Donbass zurückholen. 

Die USA haben unterdessen eine - so wörtlich - "zynische" Blockade Russlands für das Scheitern einer UN-Erklärung zur Nichtverbreitung von Atomwaffen verantwortlich gemacht. "Nach wochenlangen intensiven, aber produktiven Verhandlungen hat die Russische Föderation allein beschlossen, einen Konsens über das Abschlussdokument zu blockieren", erklärte der Vize-Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel. Wegen der russischen Blockade war die UN-Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags am Samstag ohne Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen brachte Russland vor allem Einwände gegen Passagen zu dem seit März von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja vor, das in den vergangenen Wochen wiederholt beschossen worden war.

In dem Entwurf wollte die Konferenz ihre "ernste Besorgnis" über militärische Aktivitäten in der Umgebung ukrainischer Atomkraftwerke, vor allem des AKW Saporischschja, zum Ausdruck bringen. Moniert werden sollte auch der Verlust der Kontrolle über die Anlagen durch die Ukraine und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf deren Sicherheit.

Kanzler Scholz hält "Europa-Rede" in Prag

In der tschechischen Hauptstadt Prag hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Rede an der renommierten Karls-Universität gehalten. In einer europapolitischen Grundsatzrede forderte er mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine radikale Reformen in der EU, um die Gemeinschaft auf die Aufnahme neuer Staaten vorzubereiten.

Wichtig ist dem deutschen Regierungschef zudem, gemeinsam mit europäischen Nachbarn ein neues Luftverteidigungssystem aufzubauen. Ein solches System "wäre ein Sicherheitsgewinn für ganz Europa", sagte der SPD-Politiker. Zudem wäre es kostengünstiger und leistungsfähiger, als wenn jeder seine eigene, teure und hochkomplexe Luftverteidigung aufbaue. Details nannte er nicht.

Karls-Universität in Prag
Die Karls-Universität in Prag ist die älteste in MitteleuropaBild: Peter Erik Forsberg/IMAGO

Deutschland und Tschechien haben beim Besuch von Kanzler Scholz zudem den geplanten Panzer-Ringtausch zugunsten der Ukraine unter Dach und Fach gebracht. Die ersten deutschen Leopard 2 sollen noch vor dem Jahresende nach Tschechien geliefert werden. Der NATO-Partner erhält 14 deutsche Leopard-2-Kampfpanzer und einen Bergepanzer Büffel als Ausgleich für an die Ukraine gelieferte T72-Panzer sowjetischer Bauart. Das gab Bundeskanzler Olaf Scholz heute in Prag bekannt. Er habe den Ringtausch jetzt "ganz konkret" mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala verabredet.

EU-Kommission will Strommarkt reformieren

Angesichts immer weiter steigender Energiepreise infolge der eingeschränkten russischen Gaslieferungen hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen eine Reform des europäischen Strommarktes angekündigt. "Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen gerade aus verschiedenen Gründen die Grenzen unseres jetzigen Strommarktdesigns auf", sagte sie bei einer internationalen Konferenz in Slowenien. Das System sei für andere Umstände entwickelt worden und nicht mehr zweckmäßig. "Deshalb arbeiten wir jetzt an einer Notfallmaßnahme und an einer Strukturreform des Strommarktes." Auch Kanzler Olaf Scholz zeigt sich offen für "strukturelle Veränderungen".

Hintergrund ist das sogenannte Merit-Order-Prinzip, das am europäischen Strommarkt gilt. Das bedeutet, dass der Strompreis durch das teuerste Kraftwerk bestimmt wird - derzeit also durch Gaskraftwerke. Da der Gaspreis stark angestiegen ist, ist also auch Strom teurer geworden.

haz/fw/rb/qu (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.