UNESCO-Welterbe: Afrika findet kaum statt
2. August 2021Acht Moscheen im Norden der Elfenbeinküste und der Ivindo National Park in Gabun haben in diesem Jahr einen der begehrten Plätze auf der Welterbe-Liste der UNESCO ergattert. Neben den zwei Orten in Afrika hat das zuständige Komitee auf seiner 44. Sitzung in der chinesischen Hafenstadt Fuzhou 16 Kandidaten aus Europa und weitere 16 aus anderen Weltregionen zu neuen Welterbestätten ernannt.
- Siehe auch: UNESCO-Welterbe: Neue Stätten aus Deutschland
Das geografische Ungleichgewicht bei der Titelvergabe der UNESCO ist nicht neu. Fast die Hälfte der 1154 UNESCO-Welterbestätten liegen in Europa, weniger als 100 in Afrika. Der Kenianer George Abungu hat dafür eine einfache Erklärung: "Das Verfahren ist zu eurozentrisch."
UNESCO-Konvention zu eurozentrisch
George Abungu ist Archäologe und war Direktor des Nationalmuseums in Kenia. Er hat die Arbeit der UNESCO, der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, im Blick und verweist auf das Gründungsjahr 1972, als "hauptsächlich weiße Männer" die Konvention auf den Weg gebracht hätten: "Natürlicherweise ist sie eurozentrisch und afrikanische Länder müssen den außerordentlichen Wert ihrer Stätten für die Menschheit durch die westliche Sicht belegen, um es auf die Liste zu schaffen", sagt Abungu im DW-Interview.
Christoph Brumann vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle sieht das ähnlich: "Anfangs war es so, dass das Welterbe mehr oder weniger stillschweigend um das elitäre und monumentale Erbe Europas konzipiert wurde. Es wurde gedacht an Kathedralen, Paläste, Tempel, historische Altstädte", sagt Brumann in einem DW-Interview.
Wenig Erfahrung und Finanzen für Anträge
Kritik daran habe es schon vor rund 30 Jahren gegeben, sagt Brumann, das habe dann zu Reformen geführt. Heute könnten auch Alltagserbe und Kulturlandschaften, wo die Mensch-Umwelt-Aktion besonders interessant sind, auf die Liste gelangen. Das spielt afrikanischen Nominierungen in die Karten. Das Problem, sagt Brumann genau wie Abungu, sei aber: "Es gibt zu wenig Anträge aus den afrikanischen Ländern."
Das liegt auch an den komplizierten Voraussetzung: Für einen Antrag müssen Dossiers mit Hunderten und Tausenden von Seiten erarbeitet werden. "Das ist für Staaten mit besserem Know-how, mit mehr Denkmal- und Naturschutzerfahrung und mehr Geld einfach viel leichter zu stemmen als für viele afrikanische Länder", sagt Brumann.
UNESCO will mehr für Afrika tun
Die Kapazitäten seien tatsächlich gering, räumt auch Mechtild Rössler ein. Sie ist seit 2015 Direktorin des Welterbezentrums der UNESCO in Paris. "Wir haben allerdings Fortschritte gemacht", betont Rössler. Die UNESCO unterstütze afrikanische Staaten mit Spendengeldern aus dem "African World Heritage Fund".
Intensive Debatten auf dem Gipfel hätten aber weiteren Handlungsbedarf aufgezeigt, sagt Rössler: "Wir sehen, dass wir in bestimmten Regionen viel mehr tun müssen, um fundierte Nominierungen vorzubereiten und den Kapazitätsaufbau mit Blick auf die Erhaltung, das Management vor Ort und die Vorbereitung auf Risiken zu verstärken, denn viele Welterbestätten sind bedroht - das ist eine gewaltige Aufgabe, die zu bewältigen ist."
Verantwortung auf mehreren Schultern
Universitäten müssten dabei laut Rössler eine wichtigere Rolle spielen und sich stärker für den Schutz insbesondere des Kulturerbes engagieren. Ihre Experten könnten bei der Zusammenstellung von Studien und Unterlagen für die Bewerbung eines Landes helfen. Aber auch Regierungen seien in der Pflicht.
Auch der kenianische Archäologe Abungu kritisiert, dass Universitäten sich lange zurückgehalten hätten, viele von ihnen kämpften aber auch ums Überleben. Der afrikanische Welterbe-Fonds müsse mit knappen Ressourcen 54 Länder bedienen, das sei nicht möglich. Die Strategie der UNESCO, mehr Balance bei den Nominierungen weltweit zu schaffen, sagt er, sei gescheitert.
Wirtschaftliche Interessen gehen vor
Regierungen in Afrika hätten andere Probleme: Sie müssten die Wirtschaft ankurbeln, Impfstoffe kaufen und den Menschen Arbeit für Nahrung geben. "Der Hauptgrund, warum afrikanische Regierung in letzter Zeit nicht auf die Auflistung ihrer Gebiete drängt, ist die Angst, dass sie danach keine Entwicklungsprojekte mehr betreiben können", sagte Abungu im DW-Interview. Zum Beispiel Nationalparks: Gemeinden seien dort in Kolonialzeiten vertrieben worden, jetzt wollten sie ihr Land zurück, oft gebe es dort aber wertvolle Mineralien oder andere Ressourcen. Im tansanischen Naturschutzgebiet und UNESCO-Weltnaturerbe Selous etwa ist trotz heftiger Kritik der Bau eines Mega-Staudamms geplant.
Um Naturerbe zu bleiben, müsste das Land unberührt bleiben. Aus ähnlichen Gründen sind in Afrika besonders viele UNESCO-Welterbestätten als bedroht eingestuft, sagt Abungu. In der Demokratischen Republik Kongo, wo ein bewaffneter Konflikt unter anderem um Rohstoffe herrscht, seien bereits Orte von der Liste gestrichen worden.
Das gemeinsame Erbe gemeinsam bewahren
Auch der viel beschworene Tourismus biete Staaten, Kommunen oder anderen Investoren wenig Anreiz, Geld und Arbeit in einen Antrag auf das UNESCO-Siegel zu stecken, erklärt Abungu. Der Fremdenverkehr sei in den meisten Gegenden viel zu unterentwickelt, als dass eine UNESCO-Welterbestätte Besucherströme anlocken würde.
"Afrikanische Regierungen müssen verstehen, dass die Konvention ein Vehikel ist, das ihnen hilft, wertvolle Orte zu konservieren", sagt Abungu. Aber Politiker dort hätten ihre eigenen Interessen, es gehe um die Ausbeutung von Ressourcen, um Jobs und um Profit. Deshalb gehe es nur mithilfe des globalen Nordens: "Wir sollten die Strategie ändern, mehr vom Norden in den Süden investieren, um unser gemeinsames Erbe der Menschheit zu schützen. "