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Viele Fragen - keine Antworten

Stephan Hille8. September 2004

Unverständnis, Entsetzen, Ratlosigkeit - das Geiseldrama von Beslan wühlt die Menschen auf. Wie reagieren? Was ist angemessen? Was "richtig"? Und vor allem: Was ist los mit Russland?

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"Mit dem Verstand ist Russland

nicht zu begreifen (...)

an Russland muss man einfach glauben"

(Fjodor Tjutschew, 1866)

Spätestens nach dem Geiseldrama von Beslan sollte man dieses inflationär häufig gebrauchte Tjutschew-Zitat einfach vergessen. Oder aber die letzte Zeile neu formulieren: "An Russland kann man einfach nur verzweifeln."

Mit den schrecklichen Bildern und dem Video im Kopf, den die Geiselnehmer in der Schule gedreht haben, stellt sich die Frage: Wie vergiftet ist diese Gesellschaft in Russland, in der Terroristen zu solch mörderischen Taten fähig sind?

Es wäre völlig verfehlt, das Auftreten der Geiselnehmer in irgendeiner Form als verständliche Verzweiflungstat zu deuten, oder auch nur ihre Motive für nachvollziehbar zu halten. Kein Ziel kann Gewalt an unschuldigen Zivilisten und schon gar nicht an Kindern heiligen. Schon jetzt steht die bange Frage im Raum: Was kommt als nächstes? Wie wollen und wie werden die Handlanger des Terroristen und Rebellenführers Bassajew nach den Anschlägen auf die Metro, nach den Abstürzen zweier Flugzeuge und der Geiselnahme von Beslan den Terror noch steigern?

Das, was seit zehn Jahren in Tschetschenien passiert, trägt Züge von "Staatsterror". Schließlich folgten dem Krieg und den Flächenbombardements die Willkür derer, die Dörfer "säubern" und Menschen verhaften, foltern und verschwinden lassen. Die Soldaten und Milizen, die sich dort schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, tragen die Abzeichen von Armee, Innenministerium und Geheimdienst, handeln also als Vertreter der Staatsmacht. Ob es nun russische Soldaten oder tschetschenische Milizen sind, spielt keine Rolle.

Nach den Reaktionen und dem Gebaren der "Schulterklappen-Träger" und des Präsidenten Putin, stellt sich die Frage, ob Russland kuriert werden kann.

Nach alter sowjetischer Tradition werden die Angehörigen wie auch alle Russen mit verschleppten Informationen und Falschmeldungen über das Geiseldrama und die Hintergründe abgespeist. Eine parlamentarische Untersuchungskommission lehnt Präsident Putin mit dem Hinweis ab, er wolle keine "Politshow". Entschuldigung, aber der politische Alltag in Russland ist schon jetzt nichts anderes als ein politisches Theater mit knapp 150 Millionen Russen im Zuschauerraum.

Dass die überwiegende Mehrheit der Russen dieses Schauspiel auch noch hinnimmt, ist dramatisch und tragisch. Sie wollen und können offenbar nicht anders. Und dafür zahlen sie einen unermesslich hohen Preis.