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Wandern für Genießer

Arno Stroncik31. August 2013

Das Neujahrs-Skispringen oder die Kandahar-Abfahrt kennen alle. Garmisch-Partenkirchen hat aber auch außerhalb der Skisaison Sportliches zu bieten – vor allem für Wanderer.

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Auf dem Bild: Wanderin in einer Schaukelinstallation unterhalb der Alpspitze. Foto: S. Stroncik / DW am 25.7.2013
Wandern in GarmischBild: DW/S.Stroncik

"Ich bin die Simone und hoffe, ich darf euch duzen", sagt Simone Reiter. Die Gesundheitsmanagerin aus Garmisch-Partenkirchen hat zehn Wanderer um sich versammelt und gibt die Marschrichtung für die nächsten fünf bis sechs Stunden aus. "Wir gehen über den Kramerplateauweg zum Pflegersee. Dann schlängelt sich der Weg ein bisschen steiler zur St. Martinshütte und von dort dann zur Felsen-Kanzel. Wir werden aber nicht hoch rasen", betont Simone angesichts der sommerlichen Temperaturen an diesem Tag. Sie verspricht daher zugleich auch eine motivierende Hütteneinkehr. Ihr Blick gilt zunächst aber der Ausrüstung der Gruppe, die sich zur heilklimatischen "Donnerstagswanderung" angemeldet hat: "Schaut super aus, Wanderstöcke, Wanderschuhe, Sonnenbrille und zu trinken! Sonnencreme hat hoffentlich auch jeder aufgetragen".

Zwischen Mai und Oktober starten an der Garmischer Touristeninformation auch dienstags geführte Touren. "Die gehen über den ganzen Tag und sprechen die eher ambitionierten Leute an, die Erfahrung haben. Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung", erklärt Simone. Sie ist auch Klimatherapeutin und erläutert das einzigartige Konzept der heilklimatischen Wanderungen im dem rund 700 Meter hoch gelegenen Kurort. "Patienten können hier eine Bewegungstherapie machen - auf Kosten der Krankenkassen. Innerhalb dieser Kur bieten wir heilklimatische Wanderungen an, die natürlich auch für normale Gäste offen sind." Dazu gehören Puls- und Blutdruckmessen, Atemtechniken und Thermoregulationstraining. Die Gäste sollen lernen, sich bewusst und ihrem Gesundheitszustand entsprechend zu bewegen.

Wandergruppe vor blumengeschmückten Häusern in Garmisch-Partenkirchen mit Blick auf die Zugspitze. Foto: S. Stroncik / DW
Klimatherapeutin Simone (4.v.l.) erläutert in Garmisch mit Blick auf die Zugspitze den WegBild: DW/S.Stroncik

"Entdecke Deine wahre Natur"

Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen mit knapp 28.000 Einwohnern liegt in einem weiten Talkessel zwischen Ammer-, Ester- und Wettersteingebirge mit Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze (2962 m). "Wir sind eine Ganzjahresdestination, was uns von vielen anderen Orten unterscheidet", sagt Tourismusdirektor Peter Nagel und verweist auf die zahlreichen Sehenswürdigkeiten: "Da sind zunächst die Ortsteile Garmisch und Partenkirchen, dann die Zugspitze als Alleinstellungsmerkmal, die Mentalität und Freundlichkeit der Leute und das Angebot an sich. Sie können hier alles machen, ohne großartig das Auto zu bewegen", erklärt Nagel.

Mehr als 1,2 Millionen Übernachtungen zählt man in Garmisch pro Jahr. Dazu kommen rund fünf Millionen Tagestouristen, die vielleicht auch vom Leitbild "Entdecke Deine wahre Natur!“ angelockt werden. Denn dazu haben die Gäste Gelegenheit beim vielfältigen sportlichen Angebot. Es reicht vom Skifahren, Golfen, Radfahren, Schwimmen und Segeln bis hin zum Kanufahren, Canyoning oder Rafting auf den Fluten der Loisach - neben vielen weiteren Sportarten. Bei schönem Wetter und richtiger Thermik sind Hausberg (1310 m) und Osterfelderkopf (2050 m) als Startplätze für Paraglider und Drachenflieger optimal. Im Trend liegt seit Jahren Mountainbiking, vor allem aber steht Bergwandern hoch im Kurs.

Wanderer am Kramerberg auf dem Weg zur Felsenkanzel. Foto: S. Stroncik / DW
Wanderer am Kramer: Schwindelfreiheit kann hier nicht schadenBild: DW/S.Stroncik

300 Kilometer Wander- und Höhenwege gibt es rund um Garmisch-Partenkirchen. "Da geht alles. Im Sommer und Herbst kann man bis ins Hochalpine gehen. Es gibt aber auch einfache Wanderungen, die sich in unteren Höhen befinden – am Wanderberg Wank (1780 m) oder auf dem Kramerplateauweg", sagt Gesundheitsmanagerin Simone. "Und die Erfahrenen, die einen Adrenalinkick möchten, können auf die Klettersteige gehen wie die Ferrata an der Alpspitze (2628 m) oder die Zugspitztour durchs Höllental."

Klimareize nutzen

Die Wandergruppe hat mittlerweile am Kramer (1985 m) im Anstieg zur St. Martinshütte einen sanft vor sich hinplätschernden Brunnen erreicht: "Ich bitte euch, die Unterarme ein paar Sekunden ins kalte Wasser zu halten. Wenn wir sie herausnehmen, kühlt es noch auf der Haut nach", sagt die Klimatherapeutin. Denn neben dem Trainingseffekt durch die Bewegung in der Höhe gehe es auch darum, Klimareize zu nutzen. "Wir versuchen nach Möglichkeit immer so zu gehen, dass sich der Körper kühl anfühlt. Wenn wir zu schwitzen anfangen, dann sollte man etwas ausziehen oder hochkrempeln", so Simone. "Es sollte einem nicht kalt, sondern kühl sein."

Ein Stückchen weiter, am idyllischen Pflegersee, der zum erfrischenden Baden lockt, ist Pulskontrolle angesagt. "Sagt mir eure Zahl, die ihr gemessen habt! 120 Schläge gut, 90 okay, 84 optimal, 72 bravo", lobt Simone in die Runde und gibt dann noch Aufklärung in Sachen Wärmereiz. "Wir wohnen alle in klimatisierten oder beheizbaren Räumlichkeiten, auch unsere Autos sind klimatisiert. Wir versuchen also, die Außenumgebung unserem Wohlfühlen anzupassen. Früher musste sich unser Körper dem anpassen musste, was draußen war. Das hat er verlernt", kritisiert die Wanderführerin. Der Körper müsse daher wieder angeregt werden, mit Klimareizen umzugehen. "Dadurch kommt er auch mit anderen Belastungen wie Krankheit oder Stress besser zu Recht."

Sicht von einer Berghütte auf Garmisch-Partenkirchen und das Wettersteingebirge mit der Zugspitze (r.) . Foto: S. Stroncik / DW
Sicht auf Garmisch und das Wettersteingebirge mit der Zugspitze (r.)Bild: DW/S.Stroncik

Gipfel-Genuss und Erlebnisweg

Auf drei Touren, die sich vor allem Familien nicht entgehen lassen sollten, weist Birgit Neuner hin. "Auf dem Gipfel-Erlebnisweg können auch weniger trittsichere Gäste in die hochalpine Bergwelt eintauchen", sagt die Gästeführerin. Der Rundkurs beginnt an der Bergstation der Alpspitzbahn (2080 m) und informiert an verschiedenen Plätzen über die Flora, Fauna und Geologie der Bergwelt. Höhepunkt ist die Aussichtsplattform AlpspiX mit ihren beiden 13 Meter über dem Abgrund ragenden Stegen aus Stahl. Am Ende der Konstruktion erwartet die Gäste eine Glaswand – mit uneingeschränktem Blick in fast 1.000 Meter Tiefe.

Hier beginnt auch der Genuss-Erlebnisweg, der sich sanft nach unten schlängelt. 18 Stationen auf knapp drei Kilometern Länge lassen das märchenhafte "SteinReich des Riesen von der Alpspitze“ lebendig werden. "Ein Erlebnis für alle Sinne", so Neuner. Zwischendurch laden Sonnenplätze, Relaxliegen und Schaukelelemente zum Verweilen ein.

Wanderer blicken auf Paraglider am Osterfelderkopf. Foto: S. Stroncik / DW
Drachenflieger im Visier: Wanderer am OsterfelderkopfBild: DW/S.Stroncik

Spektakulär ist auch die Wanderung durch die Partnachklamm. Mit ihren rauschenden Wasserfällen und Stromschnellen bietet sie sowohl im Sommer als auch im Winter ein eindruckvolles Naturschauspiel. An der Partnachklamm beginnen zudem zahlreiche Touren in die Umgebung, etwa auf geschichtsträchtigen Pfaden zum Königshaus am Schachen, in dem einst König Ludwig II. residierte.

"Immenser Trainingseffekt"

Die Wanderer haben schließlich die Felsen- oder auch Eisenkanzel (1238 m) erreicht, eine kleine über dem Abgrund hängende Aussichtsplattform. Dort bietet sich ein grandioser Blick über den Talkessel von Garmisch-Partenkirchen und auf das gegenüberliegende Wettersteingebirge. Auf dem Weg zurück ins Tal gibt es dann endlich die versprochene Einkehr in die St. Martinshütte, auf die sich auch Petra aus Berlin freut. Petra ist wegen Atemwegsschwierigkeiten Kurpatientin. Zweimal die Woche hat sie an den organisierten Wanderungen teilgenommen und in Absprache mit den Heilklimatherapeuten auch eigene Touren gemacht. "Das hat auf jeden Fall viel gebracht", lautet ihr Fazit. Vor allem die Ruhe und Stille auf den Wanderungen habe eine entspannende Wirkung. "Das hat mich heruntergebracht. Da ist ein immenser Trainingseffekt, wenn man abgearbeitet oder angeschlagen so eine Kur antritt", sagt Petra. "Und mir hat es sehr gut getan, den inneren Schweinehund auch mal zu überwinden".