Warum den Mallorquinern Schröder nicht egal ist
26. August 2005Es gibt ja Leute, die behaupten, Mallorca sei eine deutsche Insel. Kaum jemand kann sich vorstellen, wie froh die Mallorca-Deutschen sind, dass das nicht der Fall ist. Denn aus der Ferne scheint die alte Heimat nur noch grau, frustriert und in kleinliche Streitereien vertieft. Fast kein Spanier kann verstehen, worüber in Deutschland überhaupt debattiert wird.
Nur ein Beispiel: 10 Euro Praxisgebühr? Hierzulande muss man sich mit dem öffentlichen Gesundheitssystem herumschlagen, das zwar fachlich erstklassig, aber leider immer noch überlastet ist. Wer hier krank wird, muss vor allem eines haben: Geduld, denn die Wartezeiten sind beträchtlich. Deswegen hat jeder Spanier, der es sich leisten kann, eine private Zusatzversicherung. 10 Euro Praxisgebühr im Quartal findet er billig, den dahinter stehenden Service erstklassig und die Regierung, die das hierzulande einführen könnte, würde auf viele Jahre alle Wahlen gewinnen.
Vieles besser, aber nicht gut genug
Die Liste der Beispiele ließe sich verlängern: Rente, Arbeitszeiten, Gehälter, öffentlicher Personenverkehr, Umweltschutz, Bildung – alles ist in Deutschland besser als in Spanien. Sogar das Fernsehprogramm.
Aber den Deutschen offensichtlich nicht gut genug. Es herrscht eine große Lust an selbstzerfleischender Nabelschau. In Spanien herrscht eine große Lust zu leben. Was macht ein Deutscher mit seinem Gehalt, wenn er weiß, dass er im nächsten Monat entlassen wird? Er spart es für schlechte Zeiten. Was macht ein Spanier mit seinem Gehalt, wenn er weiß, dass er im nächsten Monat entlassen wird? Er haut es auf den Kopf, weil er nicht weiß, wann er sich die nächste Sause leisten kann.
Enge Verbindung
Was viele Deutsche, auch viele Mallorca-Deutsche, immer wieder fasziniert ist die Tatsache, dass es in Spanien mit dieser Mentalität in praktisch allen Bereichen bergauf geht. Die objektiven Parameter zeigen zwar an, dass im internationalen Vergleich noch viel zu tun ist. Aber es war vor nicht allzu langer Zeit noch viel schlechter. Auf die Entwicklung sind fast alle stolz.
Über das deutsche Jammertal könnte man also lachen. Doch leider bleibt das Einheimischen wie Zugereisten im Halse stecken. Denn die mallorquinische Wirtschaft hängt ziemlich direkt an der deutschen. Je mehr Geld die Deutschen in der Tasche haben, desto mehr geben sie davon im Urlaub aus. Die meisten Deutschen machen auf Mallorca Urlaub, die meisten Urlauber auf Mallorca sind Deutsche. Weil die Verbindung so eng ist, hat das "BRD-Elend" direkte Auswirkungen: Der Anteil der All-inclusive-Touristen steigt stark, worüber sich die Wirte grämen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer sinkt, das beschäftigt die Hoteliers.
Unter dem Strich steht in Deutschland auch der Wohlstand aller Mallorquiner auf dem Spiel. Deswegen beschäftigen sich die Insulaner mit der Bundestagswahl stärker, als sie jede andere Wahl eines ausländischen Parlamentes beschäftigen würde.
Michael Blum, stellvertretender Chefredakteur des Mallorca Magazins