Widerstand gegen Merkels Entmachtungspläne
25. Oktober 2010Um zu verhindern, dass Mitgliedstaaten gegen die Defizit- und Schuldengrenzen verstoßen, fordern Deutschland und Frankreich härtere Strafmechanismen in der EU. Sie wollen diesen Mitgliedsstaaten notfalls das Stimmrecht im Ministerrat entziehen. Diese Reform des Stabilitätspaktes würde jedoch eine Änderung des EU-Vertrages voraussetzen. Dabei ist gerade erst vor elf Monten, nach langem Tauziehen, der Lissabon-Vertrag in Kraft getreten. Am Sonntag haben die EU-Außenminister über den deutsch-französischen Plan beraten. Luxemburg, Tschechien und Österreich äußerten bereits Zweifel.
Merkel und Sarkozy hatten vergangene Woche ihren Streit über härtere finanzielle Sanktionen gegen unsolide Haushaltspolitik beigelegt. Merkel konnte den französischen Präsidenten für eine EU-Vertragsänderung auf ihre Seite ziehen. Im Gegenzug verzichtete sie auf die Forderung, Defizitsünder künftig automatisch zu bestrafen.
Ein "politisch irrsinniges" Vorhaben
Als "absolut nicht durchsetzbar" und "politisch eigentlich irrsinnig" kritisierte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn das deutsch-französische Vorhaben. Es hinterlasse bei den europäischen Partnern "ein sehr schlechtes Gefühl", so Asselborn. Auch Österreich übte Kritik an dem Vorschlag. Prinzipiell sei Wien zwar offen für härtere Sanktionen, "aber wenn man das ohne Vertragsänderungen und damit rasch etablierten kann, wäre das von Vorteil", sagte der österreichische Chefdiplomat Michael Spindelegger.
Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg äußerte sich ebenfalls skeptisch zu einer Änderung des EU-Vertrages. Auf die Frage, ob er eine Vertragsänderung für möglich halte, sagte er: "Möglich ist alles auf der Welt – aber wahrscheinlich ist es nicht". Tschechien hatte 2009 mit großen Mühen als letztes Land den Lissabon-Vertrag ratifiziert.
Deutschland beharrt auf Stimmrechtentzug
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat auf dem EU-Außenministertreffen am Montag (25.10.2010) für einen deutsch-französischen Vorschlag geworben. Es sei im Interesse aller Europäer, den Euro stabil zu halten, so der deutsche Außenminister. Europa müsse die Konsequenzen aus der Finanzkrise ziehen. Angesichts der Tatsache, dass bereits 22 Defizitverfahren eingeleitet worden sind und nicht ein Mal Sanktionen verhängt wurden, seien die aktuellen Regeln nicht ausreichend. "Wer Europa schützen und stärken will, der muss jetzt die Regeln ändern", sagte er.
Noch ist unklar, ob Berlin und Paris ihre Pläne zur Änderung des EU-Vertrags konkretisieren dürfen. Dafür müssen sie erst ein entsprechendes Mandat erhalten. Diese Entscheidung soll auf dem EU-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs getroffen werden, das am Donnerstag in Brüssel beginnt.
Autorin: Rayna Breuer (dapd, afp, dpa)
Redakteur: Manfred Götzke