Wirtschaftsweise fordern stärkere Sparanstrengungen
7. November 2012Der Sachverständigenrat zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist etwas skeptischer als die Bundesregierung, was die Konjunktur anbelangt: Er geht für 2012 - wie auch die Regierung - von einem Wachstum von 0,8 Prozent aus. Für das nächste Jahr aber sind die Experten verhaltener: Sie rechnen nur mit einem Plus von 0,8 Prozent, die Regierung mit einem Prozent.
Die Abschwächung der Weltwirtschaft im Zuge der Eurokrise habe auch die Entwicklung in Deutschland gebremst und zu einer merklichen Abkühlung der hiesigen Konjunktur geführt, erklären die Experten. Nach ihrer Auffassung sind aber Erfolge der europäischen Politik bei der Bekämpfung der Eurokrise zu erkennen. Die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen betroffener Staaten hätten sich merklich reduziert.
Warnung vor dauerhaftem Rettungsschirm
Den Ökonomen ist die Schwere der europäischen Schuldenkrise bewusst. "Die Europäische Währungsunion befindet sich trotz erster Lichtblicke in einer Vertrauenskrise von systemischem Ausmaß." Sie warnen vor dauerhaften Rettungshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Schuldenkrise. "Die Aktivitäten der EZB dürfen allenfalls eine Notlösung sein und auf keinen Fall zu einem dauerhaften Stabilisierungsmechanismus werden."
Drei Problemfelder seien miteinander verknüpft und verstärkten sich gegenseitig: eine Staatsschulden-, eine Banken- und eine makroökonomische Krise. Das Gegenrezept der Experten: "Maastricht 2.0". Dieser Vorschlag sehe drei Säulen vor, "eine für die fiskalische Stabilität mit nationaler Verantwortung, eine für die Stabilität des privaten Finanzsystems mittels einer Bankenunion und eine Säule für das Krisenmanagement, die eine Insolvenzordnung für Mitgliedstaaten umfasst".
Mehr Ehrgeiz beim Sparen
Nach Ansicht der Wirtschaftsweisen gehen die von der schwarz-gelben Koalition jüngst beschlossenen Vorhaben - wie etwa das Betreuungsgeld oder die Abschaffung der Praxisgebühr - in die falsche Richtung. Sie fordern in ihrem Jahresgutachten die Bundesregierung zu stärkeren Sparanstrengungen auf. "Da der Bund nicht dauerhaft auf Sonderfaktoren und eine günstige konjunkturelle Entwicklung bauen kann, ist deutlich mehr Ehrgeiz bei der Konsolidierung des Haushalts notwendig.
Die Arbeitslosigkeit werde in diesem Jahr auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung sinken. Die Experten rechnen mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent, im nächsten Jahr 6,9 Prozent.
Den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die fünf Wirtschaftsweisen genannt, gibt es seit 1963. Er befasst sich wissenschaftlich mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Das jährliche Gutachten wird der Bundesregierung stets im November eines Jahres übergeben.
Lo/sti (dapd, afpd, dpa)