YouTube: Nicht mehr wegzudenken
15. Februar 2020"Das Coole an diesen Typen ist, dass sie diesen echt langen Rüssel haben." Mit diesen Worten beginnt der Aufstieg von YouTube. Gesagt hat sie Jawed Karim, einer der drei Gründer der Videoplattform, im allerersten Video, das dort jemals hochgeladen wurde. Karim steht im Zoo von San Diego, zwei Elefanten im Hintergrund. Das nur 18-sekündige Video ist banal und unspektakulär - ganz im Gegensatz zum Aufstieg von YouTube, der nun folgen sollte.
2006 kauft Google die Videoplattform. Danach entwickelt sich die Website rasch zum Inbegriff des kurzweiligen Internet-TVs und ist heute eine Supermacht der Unterhaltungswelt. Zwei Milliarden aktive monatliche Nutzer hat YouTube nach eigenen Angaben inzwischen - ein Fünftel der Weltbevölkerung. Vor fünf Jahren waren es noch halb so viele. Wie viel Geld das Portal dem Google-Mutterkonzern Alphabet einbringt, war lange eines der bestgehüteten Geheimnisse der Finanzmärkte - kürzlich gewährte der Konzern erstmals Einblick. 2019 spielte die Plattform demnach bereits Werbeerlöse von gut 15 Milliarden Dollar ein. Der Jahresgewinn soll bei über 34 Milliarden Dollar liegen.
Die Geburtsstunde des Influencers
Vor allem jungen Nutzern fällt es schwer, sich an die Zeiten vor YouTube zu erinnern: Musik musste am PC von CDs auf den MP3-Player überspielt werden. Kochrezepte gab es nur in Papierform, weitergegeben von Familie und Freunden. Kaufentscheidungen mussten noch ohne vorheriges Empfehlungsvideo getroffen werden. Unterhaltung, Wissen, Lifestyle - die Plattform ist eine schier unerschöpfliche Fundgrube für Clips aller Art. Eine Art riesiges Archiv, das Nutzer durch sein cleveres Empfehlungssystem bei der Stange hält.
So hat YouTube in den vergangenen 15 Jahren Medien und Gesellschaft verändert. War Sendezeit früher noch begrenzt und teuer, kann heute jeder seine eigenen Videos hochladen und einem Millionenpublikum zugänglich machen. Einige Nutzer sind damit so erfolgreich, dass sie mittlerweile von ihren YouTube-Videos leben können. Sie erhalten einen Anteil an den Werbeeinnahmen der Plattform und erzielen damit zum Teil Jahreseinkommen im zweistelligen Millionenbereich. Sie nennen sich "Youtuber" oder "Influencer" - Berufe, die erst durch den Erfolg von YouTube möglich wurden.
Gute und schlechte Inhalte
Lange waren Influencer bekannt für Schminktipps und Kochvideos. Heute wird klar: YouTube ist mehr als eine Unterhaltungsplattform. Nutzer tauschen sich aktiv über das politische Geschehen weltweit aus. Im vergangenen Jahr schoss der deutsche Youtuber Rezo in einem fast einstündigen Video gegen die Regierungspartei. "Die Zerstörung der CDU", so der Titel des Videos, zeigte auf beeindruckende Weise die Kluft zwischen alter Medien- und neuer YouTube-Welt auf. Die konservative Partei reagierten überfordert auf das Video. Sie antwortete lediglich mit einer elfseitigen PDF-Datei. Währenddessen verbreitete sich das Video wie ein Lauffeuer.
Unter den Videos, in den Kommentarspalten, geht die Diskussion virtuell weiter. YouTube - so wie andere soziale Medien - ist mittlerweile ein Ort des öffentlichen Diskurses. Das birgt auch Gefahren. Probleme machen vor allem anstößige Inhalte und der Umgang damit. Soziale Medien geraten zunehmend unter Druck, gegen die Verbreitung von Propaganda und Extremismus vorzugehen, YouTube ist hier keine Ausnahme. Alleine schon die schiere Masse an Videos - über 300 Stunden an Material werden pro Minute von Nutzern hochgeladen - macht das Ausmisten zu einer Herkulesaufgabe.
Regelwidrige Clips können sich auf der Plattform durch ständiges Wiederhochladen so rasant verbreiten, dass YouTube trotz ausgeklügelter Algorithmen mit dem Löschen kaum hinterherkommt. Kritiker bezweifeln aber, dass das Unternehmen alles in seiner Macht stehende tut.
"Wir können es besser machen"
In den vergangenen Jahren kam es zu etlichen Skandalen - von Selbstmord-Aufnahmen in den "Trending"-Empfehlungen über Pädophilen-Clips und Sex-Videos im Kinderbereich bis hin zu Videos mit Holocaust-Leugnung und anderer Propaganda. Ex-Mitarbeiter beschuldigten YouTube, die Kontrolle kontroverser Inhalte dem geschäftlichen Nutzen unterzuordnen - also den Werbeerlösen.
So etwas würde das Unternehmen natürlich nie zugeben. Doch gegenüber der New York Times gestand YouTube-Chefin Susan Wojcicki durchaus Schwächen im Umgang mit problematischen Uploads ein: "Ich weiß, dass wir es besser machen können, ... wir kommen dahin", sagte die 51-Jährige. "Wir erreichen einen Punkt, an dem wir viele dieser Probleme gelöst haben, und ich habe das Gefühl, dass wir schon deutliche Fortschritte gemacht haben."
Trotz aller Kritik kann man 15 Jahre YouTube nicht auf Diskussionen um strittige Videos reduzieren. Ein großer Teil der bisherigen Geschichte ist von harmlosen viralen Phänomenen geprägt. Damit hat YouTube die Unterhaltungsindustrie nachhaltig verändert. Es ist aus dem Alltag von Milliarden Menschen auf der Welt nicht mehr wegzudenken.