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GesellschaftDeutschland

Zoo Krefeld: Ein Jahr nach dem Brand im Affenhaus

Rina Goldenberg
31. Dezember 2020

Am Neujahrstag 2020 gingen die Bilder vom brennenden Affenhaus rund um die Welt. Nach einer Welle des Mitgefühls und der Unterstützung gibt es Anlass zu vorsichtigem Optimismus und große Pläne.

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Zoo Krefeld | Affenhaus
Bild: Rina Goldenberg/DW

Ende November war das verbrannte Affenhaus im Krefelder Zoo endlich komplett abgerissen. "Das war eine große Erleichterung, nicht mehr jeden Tag an der Ruine vorbeigehen zu müssen. Das hilft uns, mit dem Unglücksgeschehen abzuschließen, vergessen werden wir es natürlich nie," sagt Zoodirektor Wolfgang Dreßen. 

Er erzählt von dem Gefühl der Ohnmacht, als der Brand in der Neujahrsnacht wütete, an die Trauer, als klar war, dass mehr als 50 Tiere inklusive acht Menschenaffen in den Flammen verendet waren. Und an die Bestürzung über die persönlichen Angriffe auf ihn in den sozialen Netzwerken. 

"Es ging in der Nacht direkt los mit Anschuldigungen, Drohungen und Verschwörungstheorien", erinnert sich Zoo-Pressesprecher Adam Mathea. Zum Schutz der Mitarbeiter entschied der Zoo, Hasskommentare zu löschen und direkte Bedrohungen zur Anzeige zu bringen. 

Affenhaus Ruine aus der Vogelperspektive
Eine sogenannte "Himmelslaterne" verursachte den Brand, der das Affenhaus zerstörteBild: picture-alliance/dpa/C. Reichwein

Der Zoo betont, keine Mitschuld an dem Brand zu tragen:  Das 1975 erbaute Affenhaus bekam 2009 ein neues Dach, das den Bestimmungen des Brandschutzes und des Baurechts entsprach. Trockenes Laub war Ende November vom Dach entfernt worden. Eine nächtliche Wache patrouillierte pflichtgemäß, war aber gerade um Mitternacht am anderen Ende des 14 Hektar großen Geländes unterwegs.  

Schnell war klar, dass eine sogenannte "Himmelslaterne" den Brand verursacht hatte. Diese Papierlaternen aus Ostasien können wie kleine Heißluftballons kilometerweit fliegen.

Himmelslaternen im Nachthimmel
'Himmelslaternen' sind kleine Heissluftballons aus Papier und in Deutschland wegen Brandgefahr verbotenBild: picture-alliance/dpa/imageBROKER

Sachverständige stellten nach, wie die Laterne kurz nach Abflug auf dem Dach des Affenhauses aufsetzte, die darin enthaltene hochentzündliche Flüssigkeit sich auf das Plexiglas ergoss und sich großflächig durch die vier Lagen Acryl brannte. Die aus dem Affenhaus aufsteigende warme Luft fachte die Flammen an. Die Feuerwehr konnte nur noch verhindern, dass das Feuer auf die benachbarten Känguru- und Gorillagehege übergriff.

Die Tatverdächtigen waren schnell identifiziert: Eine Frau und ihre zwei erwachsenen Töchter stellten sich der Polizei. Sie gaben zu, mehrere Himmelslaternen mit guten Wünschen beschrieben und kurz nach Mitternacht aufsteigen gelassen zu haben. Dass die Laternen seit 2009 in Deutschland wegen erhöhtem Brandrisiko verboten waren, hätten sie nicht gewusst. Sie hatten sie aus dem Internet bestellt. Im Dezember akzeptierten sie einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung und eine Geldstrafe von insgesamt rund 20.000 Euro. Einen Prozess wird es also nicht geben.

Trauer und Trost

Die erste gute Nachricht kam in den frühen Morgenstunden nach der Brandnacht: Zwei Schimpansen hatten fast unverletzt überlebt. Der 28-jährige Limbo und die 48-jährige Bally leben seitdem in einem abgeschiedenen Teil des Gorilla-Hauses intensiv betreut von ihrem angestammten Pfleger und haben sich gut erholt. 

Wolfgang Dreßen zeigt auf einen Lageplan des Zoos
Zoodirektor Wolfgang Dreßen beginnt mit der Planung für ein neues AffengehegeBild: Rina Goldenberg/DW

Das internationale Medieninteresse war gewaltig, erinnert sich Pressesprecher Mathea. Journalisten aus den USA und Kanada baten um Interviews, ein chinesischer Sender entsandte eine Reporterin, um nachzuforschen, ob die Himmelslaternen aus China kamen und die Tatverdächtigen vielleicht Chinesen waren, erzählt er.  

Auch Beileidsbekundungen kamen aus aller Welt. Auf Kondolenzkarten von Zoos aus den USA hatte jeder Mitarbeiter einige persönliche Worte geschrieben. Noch größer war der Zuspruch aus der Stadt selbst: Der Eingang des Zoos verwandelte sich schnell in ein Meer aus Kerzen, Blumen und Stofftieren. "Dieses Mitgefühl hat uns viel Trost, aber auch Kraft für die anstehenden Herausforderungen gegeben," sagt Dreßen.

 

Seelsorger und Therapeuten betreuten die Zoo-Mitarbeiter vor Ort, die eine besonders enge Bindung zu den verbrannten Tieren hatten, und führten Gruppen- und Einzelgespräche, die sich über mehrere Monate erstreckten. 

Ein Zoo im Herzen der Stadt

"Der Zoo ist seit Generationen ein Identifikationsort," betont der Pressesprecher der Stadt Christoph Elles. "Kein Kind wächst in unserer Stadt auf, ohne mit Eltern, Großeltern, Freunden oder der Schulklasse den Zoo zu besuchen. Viele kommen später mit ihren eigenen Kindern wieder," sagt er.  

So auch Caroline Gappel, vom Verein "Zoofreunde Krefeld," der nach dem Brand einen Ansturm an neuen Mitgliedern erlebt hat. "Ich bin schon mit meinen Großeltern regelmäßig in den Zoo gegangen und die großen Tierhäuser waren immer ein besonderes Highlight für mich," erzählt Gappel.  

Caroline Gappel vor einem Zoo Plakat
Caroline Gappel leitet den Verein 'Zoofreunde Krefeld', der 2020 einen Mitgliederansturm erlebteBild: Rina Goldenberg/DW

Nun ist ihr fünfjähriger Sohn Maximilian ein großer Fan des Tierparks, den er regelmäßig besucht. "Am Silvestertag waren wir noch im Zoo," erinnert sich Caroline Gappel. "Ob wir noch ins Affenhaus gehen, habe ich ihn gefragt. Aber er war müde: 'Wir gehen nächstes Mal', hat er gesagt." Am nächsten Tag war dann klar, es wird kein nächstes Mal geben. "Das hat mich sehr traurig gemacht", erinnert sie sich. 

Es sei nicht einfach gewesen, ihrem Sohn zu erklären, was passiert war, berichtet Gappel. Aber die Gespräche mit ihm hätten auch ihr geholfen, das Ereignis zu verarbeiten. Maximilian hat, wie viele andere Krefelder Kinder, einen Teil seines Taschengeldes dem Zoo gespendet. Über zwei Millionen Euro sind in diesem Jahr gespendet worden.  

Maximilian zeigt auf eine Spendentafel mit seinem Namen
Maximilian ist eines der vielen Krefelder Kinder, die den Zoo mit Taschengeldspenden unterstütztBild: privat

Große Pläne für die Zukunft

Schnell entschied der Zoo: Das Geld fließt in eine neue größere Anlage mit dezentralen Innen- und weiträumigen Außengehegen auch für Gorillas, Schimpansen und Orang-Utans. Alles nach den strengen Richtlinien der europäischen Zuchtprogramme. Im kommenden Jahr sollen Pläne für den Bau entwickelt werden. Fünf bis zehn Jahre wird es dauen, bis alles fertig ist, schätzt Zoodirektor Dreßen - bei Kosten von über 20 Millionen Euro. 

Krefeld unterstützt die Pläne und bewilligt zusätzliche Flächen. Der Zoo mit seinen 85 Angestellten ist schließlich ein Wirtschaftsfaktor in der 230.000 Einwohner zählenden Stadt, die mit über elf Prozent eine Arbeitslosenquote hat, die fast doppelt so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt. 

Insofern zieht Pressesprecher Elles Parallelen zu mittelständischen Unternehmen: "Im Jahr 2019 wurden über 320.000 Tageskarten verkauft. Die Besucher kommen aus der ganzen Region und den benachbarten Niederlanden. Der Umsatz durch Eintrittsgelder lag 2019 bei fast drei Millionen Euro. Viele Projekte im Zoo Krefeld werden mit ortsansässigen Unternehmen realisiert." 

Adam Mathea vor der ehemaligen Affenhaus Anlage
Pressesprecher Adam Mathea zeigt die Stelle, wo das Affenhaus stand. Er war selbst schon als Kind im Krefelder Zoo Bild: Rina Goldenberg/DW

Ein Jahr nach dem Brand steht noch das abschließende Sachverständigengutachten und die Versicherungszahlung aus. Dennoch wäre das Wirtschaftsergebnis dank eines kräftigen Besucheranstiegs im Sommer trotz der Corona-Pandemie im noch laufenden Jahr 2020 gut gewesen, sagt Dreßen. Wenn nicht der zweite Lockdown im November eine erneute Schließung erzwungen hätte.

Kritik an den Zoo Plänen 

Die Pläne für das neue Affengehege werden von manchen Tierschutzorganisationen kritisch gesehen. So kommt vehementer Protest von der Tierschutzorganisation PETA. Sie sammelte 30.000 Unterschriften gegen den Neubau des Affenhauses. 

"Anstatt für viele Millionen Euro ein neues Gefängnis für ein paar bedauernswerte Insassen zu bauen, könnten mit dem Geld große Gebiete ihrer natürlichen Lebensräume in Afrika und Asien über viele Jahre geschützt und somit die Zukunft von zahlreichen Menschenaffen langfristig gesichert werden", erklärte PETA Sprecherin Yvonne Würtz der DW. 

Zoodirektor Dreßen widerspricht: "Unsere Tiere hier sind Botschafter für ihre Artgenossen im Freiland", erklärt er. "Wir können unsere Besucher durch das direkte Erlebnis begeistern, sich auch für den Artenschutz im Freiland einzusetzen, und animieren sie erfolgreich, solche Projekte finanziell zu unterstützen."  

Gorilla Massa
Mit 48 Jahren war Massa war nicht nur der älteste Silberrücken in Europa, er hat auch hunderte Nachkommen gezeugt.Bild: Imago Images/M. Wagner

Die rund 60 deutschen Zoos fördern direkt Programme zur Erhaltung bedrohter Tierarten in Asien und Afrika, zum Teil über eigene Freilandprojekte. Das Geld dafür kommt von den 40 Millionen Zoobesuchern im Jahr.  

Alle Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas in deutschen Zoos kommen aus europäischen Zuchtprogrammen und werden von EAZA verteilt. Die in der Brandnacht verendeten Gorillas, Schimpansen und Orang-Utans haben Hunderte Nachkommen, die auf Zoos in aller Welt verteilt sind. "Es ist nicht auszuschließen, dass eines Tages einige dieser Nachkommen nach Krefeld ziehen", sagt Dreßen. "Darüber würde ich mich besonders freuen."