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Genmanipulation vor künstlicher Befruchtung?

Gabriel Borrud/ Fabian Schmidt3. Februar 2015

Das britische Unterhaus hat sich am Dienstag für Spindelapparat-Transfers ausgesprochen. Die Methode kann Gendefekte bei Neugeborenen vermeiden, stellt aber auch einen Eingriff ins Erbgut dar.

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Mitochondrien (Foto: Louisa Howard)
Mitochondrien versorgen Zellen mit Energie. Sie sind Teil des mütterlichen Erbgutes.Bild: gemeinfrei

Die Mitglieder des britischen Unterhauses stimmten mehrheitlich für die Zulassung des sogenannten Spindel-Transfers. Bisher ist das Verfahren noch so gut wie nirgendwo zugelassen. Verboten ist es unter anderem in den USA. Auch in Europa wäre Großbritannien das erste Land, welches das Verfahren einführt. Dafür muss aber erst noch die zweite Kammer des Parlaments, das Oberhaus, dafür stimmen.

Fünfzehn Jahre lang hat ein Forscherteam an der Newcastle University mit wissenschaftlichen aber auch mit gesellschaftlich-ethischen Hürden zu kämpfen gehabt, beim Versuch eine Lösung für mitochondriale Erbkrankheiten, sogenannte Mitochondriopathien, zu finden. Darunter fallen eine ganze Spanne von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen. Muskel- und Organdefizite, Herzkrankheiten oder neurodegenerative Erkrankungen können darunter sein, aber auch Diabetes, Fehlwüchse und sogar eine Reihe von Krebserkrankungen. Der Spindel-Transfer ist ein Weg, um zu verhindern, dass eine Mutter die Krankheit an ihr Kind vererbt.

Raus aus der Zelle - rein in die Zelle

Und so funktioniert die Methode: Eine Frau die unter einer Mitochondriopathie leidet, aber gerne ein Kind bekommt möchte, stellt ein Ei für eine künstliche Befruchtung zur Verfügung. Im Labor entnehmen die Mediziner daraus das genetische Material, nämlich den sogenannten Spindelapparat.

Eine zweite Frau, die nicht unter einer Mitochondriopathie leidet, stellt eine weitere Eizelle zur Verfügung, aus der ebenfalls das genetische Material herausgenommen wird. In dieser gesunden Zelle verbleibt nur ein kleiner Teil der Erbinformation, nämlich die gesunden Mitochondrien.

Dann wird der Spindelapparat der ersten Zelle in die zweite Zelle eingepflanzt. Diese wird dann mit den Spermien des Vaters befruchtet und in die Gebärmutter der ersten, kranken, Frau eingesetzt – wie bei künstlicher Befruchtung üblich.

Infografik Spindelapparat-Transfer Deutsch

Energie für die Zellen

"Unser einziges Ziel war es, die Art und Weise zu reparieren in der die Mitochondrien – also die Batterien der Zellen – bei den Kindern funktionieren, die von Müttern abstammen, wo diese Batterien beschädigt sind – nicht mehr und nicht weniger," sagt Doug Turnbull, der an der Newcastle University das Verfahren des Spindelapparat-Transfers entwickelt und die Forschung daran vorangetrieben hat.

Der größte Teil des menschlichen Erbgutes ergibt sich aus den Chromosomen, die im Zellkern liegen, wo auch der Spindelapparat ist. Aber ein kleiner Teil der Erbinformationen ist auch in den Mitochondrien untergebracht, die nur Mütter an ihre Kinder weitergeben können.

Gen-Kind mit drei Eltern

"Das einzige was eine Mutter durch die Mitochondrien an die Kinder weitergeben kann, bezieht sich aber wieder auf die Mitochondrien der Kinder," erklärt Turnbull gegenüber der Deutschen Welle. Werden beschädigte Mitochondrien weitergegeben, so kann das verheerende Folgen haben.

"Wir haben hier in Newcastle seit Jahrzehnten Patienten mit Mitochondriopathien behandelt. Sie leiden stark, haben Fehlfunktionen in den Muskeln, im Herzen, im Hirn – um nur einiges zu nennen. Jede menschliche Zelle braucht Energie, und wenn es ein Problem dabei gibt, diese Energie zur Verfügung zu stellen, dann entstehen große Probleme," betont der Mediziner.

Obwohl Turnbull und sein Team eine Menge Forschungsarbeit in die Entwicklung des Verfahrens gesteckt haben, ist der Spindelapparat-Transfer doch ein recht einfaches Verfahren.

Und ethische Argumente liefert ein Kollege von ihm dazu: "Mitochondrien zu übertragen ist nicht sehr viel anders, als wenn man einem Patienten im Falle eines schweren Blutverlustes rote Blutkörperchen zuführt," sagte Robert Winston, Experte für künstliche Befruchtungen kurz vor der Parlamentsabstimmung gegenüber dem "Daily Telegraph." "Wenn eine Transfusion der Mitochondrien den Ausbruch einer schweren Krankheit verhindern kann, sollten wir das doch feiern."

Gott spielen?

Kritik an dem Verfahren kam vor der Abstimmung von der Church of England und der Katholischen Kirche in Großbritannien. Brendan McCarthy, Ethik-Berater der Church of England erklärte, dass es noch nicht genug wissenschaftliche Erkenntnisse gebe, um Ausschließen zu können, dass dadurch die gezeugten Kinder genetisch verändert werden.

Bischof John Sherrington von der katholischen Kirche hält eine Zulassung des Verfahrens für beispiellos - im negativen Sinne: "Kein anderes Land hat diese Prozedur erlaubt und auch die internationale Wissenschaftlergemeinde ist nicht überzeugt, dass es sicher und effektiv ist."

Professor Turnbull antwortet auf Kritik, er wolle mit dem Spindelapparat-Transfer Gott spielen, einfach mit dem Hinweis, dass er nur ein Ziel verfolge: "Alle Medizin soll den Patienten helfen – mehr nicht. Spiele ich Gott? Ich weiß es nicht! Die Frage macht für mich keinen Sinn."