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Homosexualität im Fußball

4. Juni 2011

Mehrere Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft sind offen homosexuell. Aber anders als im Männerfußball ist das in den Medien kein Thema.

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Torhüterin Ursula Holl (Foto: dpa)
Torhüterin Ursula HollBild: picture-alliance/dpa

Im vergangenen Sommer schaffte es die deutsche Nationalspielerin Ursula Holl in die Schlagzeilen, als sie und ihre Freundin eine "eingetragene Partnerschaft" eingingen - eine eheähnliche Verbindung gleichgeschlechtlicher Paare. Das Fazit in den deutschen Medien war überwiegend gleichgültig. Holl sagte selbst in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung, dass alle ihr gratuliert hätten - von den Mannschaftskameradinnen bis hin zu DFB-Präsident Theo Zwanziger. Niemand im DFB habe ihre sexuelle Neigung jemals zum Thema gemacht.

Das wäre im Männerfußball sicher anders gewesen, wo homophobe Stadiongesänge und Parolen dafür sorgen, dass sich kein Homosexueller outen möchte. Holl selbst meint, sich zu outen würde sie keinem ihrer männlichen Kollegen raten.

"Je mehr du von deinem Privatleben bekannt gibst, desto verletzlicher bist du. Und der Fan im Stadion kann sehr, sehr grausam sein. Diese öffentlichen Anfeindungen wären nur schwer auszuhalten", sagte sie der "Bild"-Zeitung.

Ende der Homophobie in den Stadien?

Tanja Walther-Ahrens (Bild aus dem Privatarchiv)
Tanja Walther-Ahrens kämpft gegen Homophobie im SportBild: Tanja Walther-Ahrens

Tanja Walther-Ahrens spielte etliche Jahre in der Frauen-Bundesliga, bevor sie sich 1999 aus dem professionellen Fußball zurückzog. Sie ist stolz darauf, dass sie in ihrer gesamten Spielerlaufbahn niemals aus ihrer sexuellen Neigung ein Geheimnis gemacht hat. "Wir haben Homosexualität nie thematisiert auf der Leistungssport-Ebene", sagt sie. "Es gab immer viele Lesben, aber im Grunde haben wir nicht drüber gesprochen, es war einfach immer irgendwie selbstverständlich."

Walther-Ahrens hat ihre Fußball-Laufbahn beendet und kickt heute nur noch zum Spaß. Sie engagiert sich gegen Homophobie im Sport in Gruppen wie der European Gay & Lesbian Sport Federation (Europäischer Schwulen und Lesben Sportbund) und hat festgestellt, dass Lesben im Sport zwar eher akzeptiert werden als Schwule, aber doch auch mit Vorurteilen zu kämpfen haben. "Homosexualität ist in unserer Gesellschaft immer noch etwas, das als etwas Anrüchiges und Krankhaftes gilt und darum gibt es immer Situationen, wo nicht klar ist, wie Leute reagieren, wenn man sich outet", sagt sie, stellt aber fest, dass "Homosexualität bei Männern ein viel schwerwiegenderer Tabubruch ist als bei Frauen. Wenn zwei Frauen Hand in Hand gehen, ist das ja 'okay', aber wenn das Männer machen, wird das gleich als etwas Perverses abgewertet."

Auch das erhöhte Medieninteresse am Männer- gegenüber dem Frauenfußball erkläre das unterschiedliche Interesse und die unterschiedliche Wahrnehmung von Details aus dem Privatleben der Spieler.

Unterschiedliche Formen der Diskriminierung

Das Medieninteresse an Homosexualität im Fußball habe in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen, stellt Martin Schweer, Psychologe an der Universität Vechta, fest.

Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen (Foto: dpa)
Mehrere deutsche Nationalspielerinnen sind lesbischBild: picture-alliance/dpa

Er meint, dieses gesteigerte Interesse habe einige positive Initiativen in Gang gesetzt, wie die Anti-Homophobie-Kampagne des DFB, aber es hat auch seine Schattenseiten. "Es gibt in Teilen der Medien diese Fragen, 'Wann outet sich denn mal jemand? Wie viele in der Nationalmannschaft können vielleicht schwul sein? Wer könnte das überhaupt sein?' Also da stellt man natürlich immer noch so eine mediale Sensationslust fest. Die tut diesem Thema sicherlich nicht gut."

Schweer meint, die unterschiedliche Bewertung von Homosexualität bei Frauen und Männern stehe im Zusammenhang mit der Wertschätzung des traditionellen Konzepts von Männlichkeit. Lesben würden eher männlich bewertet. Männlich im Sinne von stark, dominant, aggressiv, kämpferisch. Schwule hingegen gelten als eher weiblich, also schwächer und weniger aggressiv und somit eben auch weniger für sportlichen Wettkampf geeignet. "Und von daher muss man aufpassen, denn diese höhere Wahrnehmung von Homosexualität im Frauen-Fußball hat nicht zwangsläufig etwas mit einer stärkeren Akzeptanz zu tun", so Schweer, "sondern einfach damit, dass eine ganz andere Wahrnehmung eine Rolle spielt, die eben auch eine Form von Diskriminierung darstellt."

Angst vor dem Outing

Einer, der genau weiss, wie es ist, sich als homosexueller Sportler vor einem Outing zu fürchten, ist Marcus Urban. Er war in den achtziger Jahren DDR-Jugendnationalspieler und nach der Wiedervereinigung Amateurfußballer in Erfurt - bis er seine Homosexualität nicht mehr verstecken konnte oder wollte.

Der ehemalige DDR-Auswahlspieler Marcus Urban (Foto: dpa)
Urban konnte Fußballkarriere und Homosexualität nicht vereinbarenBild: picture-alliance/dpa

"Das heißt rund um die Uhr jede Geste prüfen, jede Mimik, jedes Wort, jeden Satz, den man rausbringt, in allen Situationen sich ständig kontrollieren - das war unmenschlich", erinnert er sich. Urban wurde durch seine Biographie "Versteckspieler" bekannt, er ist Mitgründer des Expertennetzwerkes "Fußball gegen Homophobie" und berät heute Sportler, Verbände und Unternehmen.

Die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland sieht er als Chance, Stereotypen von Männlichkeit im Fußball erneut in Frage zu stellen. "Man kann immer wieder feststellen, dass viele Männer Frauenfußball unterschätzen, so wie sie eben glauben, dass Schwule nicht Fußball spielen können. Und wenn Frauenfußball beliebter wird und eben solche Vorurteile über Frauen in Frage stellt, dann kann das auch einen Imagewandel bei schwulen Männern fördern."

Autor: Andrew Bowen
Redaktion: Rina Goldenberg