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PolitikAfrika

Afrikas Sexarbeiterinnen leiden

Silja Fröhlich
2. September 2020

Sex gegen Geld ist in Afrika vielerorts leicht verfügbar, billig, gesundheitlich riskant und oft illegal. Die Lage für Sexarbeiterinnen ist oft gefährlich. Corona verschlimmert das Ganze noch.

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Südarfrika: Sexarbeiterin in Johannesburg
Bild: Imago Images/Zuma/M. Das

Der Senegambia Strip in Serekunda ist die bekannteste Amüsiermeile Gambias. Bars und Nachtclubs reihen sich hier aneinander, in normalen Zeiten flanieren viele europäische und amerikanische Touristen durch das Viertel der Küstenmetropole. Auch Sexarbeiterinnen verdienen hier ihr Geld.

Eine von ihnen ist Hawa (Name geändert). Sie ist - wie viele andere junge Frauen - schon seit einigen Jahren als Sexarbeiterin tätig. "Wenn ich mich nicht prostituiere, habe ich kein Geld, um meine Rechnungen zu bezahlen, Kleidung zu kaufen und ein gutes Leben zu führen", sagte Hawa im DW-Interview.

Seit Gambias Präsident Adama Barrow als Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 die Schließung von Bars und Nachtclubs anordnete, hat sich die Situation für Sexarbeiterinnen stark verschlechtert. Prostitution in Gambia ist weit verbreitet, aber illegal. Die meisten der schätzungsweise 3100 Sexarbeiter des westafrikanischen Landes suchen Freier am Strand, in Bars und Hotels - doch die sind nun Corona-bedingt zu.

Freier nutzen Situation aus

Vor der Abriegelung verdiente Hawa mindestens 100 Euro pro Nacht. Doch jetzt hat die alleinerziehende Mutter Schwierigkeiten, ihre Miete zu bezahlen und ihre Kinder zu versorgen.

Mobile HIV-Klinik in Ngodwana
Mobile HIV-Klinik in Ngodwana (Südafrika): Erschwerter Zugang zu Aids-Medikamenten Bild: picture-alliance/AP Photo/B. Janssen

"Einige Kunden nutzen die Situation aus, um weniger zu bezahlen", berichtet Hawa. "Sie zahlen nur 35 Euro." Die Orte, wo die 28-Jährige normalerweise anschafft, sind nun geschlossen. "Ich muss zu Hause bleiben und auf die Anrufe der Kunden warten. Entweder kommen sie zu mir oder ich finde einen Ort, an dem ich das Geschäft abschließen kann", so Hawa.

Diskriminierung, Belästigung und Gewalt

Das Globale Netzwerk für Sexarbeitprojekte (NSWP) schrieb im August, dass Sexarbeiterinnen als Folge der COVID-19-Einschränkungen "Einkommensverlust und zunehmende Diskriminierung, Belästigung und Gewalt" erleiden.

Hinzu kommt, dass Sexarbeit selten in den Hilfspaketen der Regierung berücksichtigt wird. Zwar gibt es laut der NSWP-Studie zumindest in Kenia und Nigeria Notfallfonds, Notfalllieferungen und Mieterleichterungen. Doch Sexarbeiterinnen dort klagen, dass die Mittel bei ihnen oftmals nicht ankommen.

Eine von der Kenya Sex Workers Alliance (KESWA) durchgeführte Umfrage unter 884 Sexarbeiterinnen ergab zudem, dass mehr als 65 Prozent der Befragten aufgrund der COVID-19-Situation keinen Zugang zu Kondomen und HIV-Medikamenten haben.

"Wir sind nicht mehr sicher"

Aktivisten wie Yusuf Taylor in Gambia fordern von der Regierung, Sexarbeiterinnen zu unterstützen. "COVID-19 und der Ausnahmezustand betrifft alle", sagte Taylor der DW. "Deshalb sollten alle, die unter Problemen leiden, einen Hilfsfonds erhalten, um das zu überstehen."

Alice von der Coast Sex Workers Alliance (COSWA Kenya) ist seit 15 Jahren im Geschäft. Sie berichtete der DW, dass Sexarbeiterinnen in Kenia aufgrund der Ausgangssperre nicht mehr nachts arbeiten können und Kunden bei sich zu Hause empfangen oder zu ihnen nach Hause gehen müssten, wo sie ihnen ausgeliefert seien. "Wir sind nicht mehr sicher, in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Fälle von Mädchen, die von Klienten geschlagen und ermordet wurden", so Alice.

Polizeigewalt und Stigmatisierung

Ein weiteres großes Problem: Polizeigewalt. Eine Studie der Open Society Foundation aus dem Jahr 2012 in Kenia, Namibia, Südafrika und Simbabwe fand heraus, dass die Polizei Sexarbeiterinnen, die Kondome bei sich tragen, schikaniert, körperlich und sexuell missbraucht oder mit der Festnahme wegen Kondombesitzes droht, um sie zu erpressen und auszubeuten.

"Vieles geht von Polizisten aus, die Sexarbeiterinnen festnehmen und Kondome konfiszieren", sagt Chloe Turner von der Sex Workers Education and Advocacy Taskforce (SWEAT) in Südafrika. Auch dort ist Sexarbeit illegal. "Sie sagen, wenn man mehr als vier Kondome hat, dann betreibt man Sexarbeit. Das raubt den Sexarbeiterinnen die Möglichkeit, sich sexuell zu schützen", so Turner.

Dies sei auch in Kenia ein großes Problem, so Alice. "Die Polizei muss begreifen, dass wir Menschen sind, dass wir Geld brauchen, um über die Runden zu kommen, dass wir keine Kriminellen sind, dass wir niemanden bestehlen und dass es läuft wie jede andere Arbeit auch."

Safer Sex im Senegal

Aktuell ist der Senegal das einzige Land Afrikas, in dem Prostitution legal ist. Voraussetzung ist, über 21 Jahre alt zu sein und sich monatlich untersuchen zu lassen. Sexarbeitern werden kostenlos Kondome zur Verfügung gestellt.

Sexarbeiterin in Ngodwana, Südafrika
Sexarbeiterin in Südafrika: Hoffnung auf LegalisierungBild: picture-alliance/AP Photo/B. Janssen

Der Erfolg dieser Regelung lässt sich an den Zahlen HIV-Infizierter erkennen. Durchschnittlich waren 2012 in Afrika nach UN-Angaben 37 Prozent der Sexarbeiterinnen HIV-positiv. Im Senegal waren es nur sieben Prozent.

Legalisierung und Entkriminalisierung

Für die Zukunft sieht SWEAT-Aktivistin Turner die Legalisierung und Entkriminalisierung von Sexarbeit als wichtigsten Schritt. "Die Argumente gegen die Legalisierung in Südafrika sind, dass Sexarbeit zum Kinderhandel beiträgt und Grund für die meisten HIV-Fälle ist, was nicht stimmt", so Turner. Um Kinderprostitution zu verhindern, würden Südafrikas Sexarbeiterinnen sogar "Hand in Hand mit der Polizei arbeiten".

Dazu gehöre auch, die Gesellschaft, die Polizei und die Regierung zu sensibilisieren. "Wir fordern nicht nur die Legalisierung, sondern eine vollständige Entkriminalisierung, um Sexarbeiterinnen vor Polizeigewalt und gewalttätigen Klienten schützen zu können. Sie können dann besser auf ihre Gesundheit achten, ihr Leben gestalten und ihre Haushalte wirtschaftlich unterstützen."

Würde und ein Lächeln

Hawa aus Gambia und Alice aus Kenia träumen beide von einem anderen Leben. "Ich möchte mit der Sexarbeit aufhören, weil ich älter werde", so Hawa. "Ich möchte mich mit einem Mann niederlassen und eine andere Form der Arbeit ausüben."

Alice wünscht sich, wie jede andere ins Krankenhaus gehen zu können und respektvoll behandelt zu werden. "Respektiert mich als Person, ich trage zur Volkswirtschaft dieses Landes bei." Alles beginne mit kleinen Gesten. Als Beispiel nennt sie die nette Art und Weise, wie man etwa einem Priester gegenübertritt. "Ich wünsche mir, dass jeder, der mich trifft, mich auch so freundlich anlächelt."

Silja Fröhlich
Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin