In alter Frische
30. Mai 2009Fabian Hambüchen freut sich schon auf seinen Auftritt in der riesigen Fußball-Arena: "Vor 40.000 Zuschauern zu turnen, wird schon eine riesige Sache - auch wenn es von der Optik ungewohnt sein wird." Die Stadiongala unter den Augen der Bundeskanzlerin gehört nur zu einem Höhepunkt des Internationalen Deutschen Turnfests in Frankfurt. Unter dem Motto "Wir schlagen Brücken" treffen sich Turner aus der ganzen Welt vom 30. Mai bis 5. Juni am Main. Das Turnfest gilt als größte Wettkampf und Breitensportveranstaltung - älter als die Olympischen Spiele der Neuzeit. Inzwischen treffen sich die Turner alle vier Jahre in einer deutschen Stadt. Nach 1880, 1908, 1948 und 1983 ist das Turnfest bereits zum fünften Mal in der Hessen-Metropole zu Gast.
Turnen und Frankfurt - eine besondere Beziehung
Frankfurt ist ein besonderer Veranstaltungsort. Die Rolle der Turner in der Geschichte ist nicht unumstritten. Im 19. Jahrhundert hatte sich die Turnbewegung entwickelt. Das Ziel war, junge Männer durch Sport wehrtauglich zu machen - um die Idee eines gesamtdeutschen Staates zu unterstützen. Im Dritten Reich ließen sich die Turner von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke einspannen. Frankfurt und Turnen aber steht für die Geschichte der deutschen Freiheitsbewegung. In der Frankfurter Paulskirche tagte die Nationalversammlung nach der Märzrevolution von 1848. Unter den Abgeordneten des ersten frei gewählten Parlaments befand sich auch "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn. Eine Plakette an der Paulskirche erinnert noch an die Zeit des ersten Demokratieversuchs auf deutschem Boden. "Die demokratische Vereinsbewegung der Turner war Teil der Revolution von 1848", steht dort geschrieben. Zu Beginn des Turnfests 2009 wird mit einem Festakt in der Paulskirche an diese Wurzeln erinnert.
Sieben Tonnen Müsli zum Frühstück
Die Veranstalter erwarten 65.000 Teilnehmer aus aller Welt, dazu kommen Tagesbesucher und rund 6.000 Helfer. Viele Gruppen und Besucher werden in Vereinen und Schulen der Rhein-Main-Umgebung untergebracht. Für das Frühstück werden die Unterkünfte mit sieben Tonnen Müsli, 50.000 Litern Milch und 400.000 Brötchen beliefert. Eine logistische Herausforderung. Teilnehmer früherer Turnfeste erzählen von einer "besonderen Atmosphäre" während der Veranstaltungstage. Auch die Nicht-Turner in der Rhein-Main-Region sollen das mitbekommen. Mit einem günstigen Tagesticket könne man "Turnfestluft schnuppern", wie es Organisations-Chef Heiner Henze nennt. "Diese Karte bietet wirklich jedem die Chance, einmal unmittelbar alles anzusehen, was das Turnfest ausmacht."
Turnfest-Akademie mit 600 Workshops
Der Deutsche Turner Bund ist der zweitgrößte Sportverband Deutschlands. Neben dem Turnen sind unter anderem Faustball, Völkerball und Orientierungslauf hier organisiert. Zahlreiche Turnerbund-Sportarten tragen in Frankfurt ihre Deutschen Meisterschaften aus. Neben den Turnfest-Wettkämpfen gibt es auch Mitmachprogramme und die neuesten Fitnesstrends zum Ausprobieren. Wer selbst nicht aktiv werden will, der kann zwischen Darbietungen und Shows wählen. Es können Turnabzeichen abgelegt und Weiterbildungen absolviert werden. In der Turnfest-Akademie werden 600 Workshops zu verschiedenen Themen wie Fitness, Tanz oder Kinderturnen angeboten. Organisator Henze kann ob der Flut von Angeboten gar nicht sagen, was der Höhepunkt des Turnfests sein wird: "Als Athlet freue ich mich auf meine Wettkämpfe. Als Teilnehmer an der Turnfestakademie freue ich mich auf den Vortrag, der mich dann hoffentlich weiterbringt. Und dann gibt es natürlich viele Höhepunkte im Vorführungs- und Showbereich."
Laser- und Wassershow auf der Flussfestmeile am Main
Neben dem Fest-Zentrum um die 100-jährige Messehalle, in deren Rohbau schon 1908 das Turnfest zu Gast war, sind die Angebote auf die Stadt verteilt. Die Eröffnungsfeier findet auf der Flussfestmeile am Main-Ufer statt. Mit Hilfe von Wasserfontainen, Jetski-Fahrern und Laserstrahlen wird eine Wassershow die Zuschauer auf die Festtage einstimmen. Nationale Musikstars wie der Sänger Clueso runden das Programm auf der Turnfestmeile ab. Für die Organisatoren sei das Turnfest eine große Möglichkeit, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, sagt der Präsident des Deutschen Turner Bund Rainer Brechtken: "Wir haben kein Geld für große Kampagnen, wir haben keine Anzeigenmöglichkeiten und wir haben keine Fernsehspots." Die Teilnehmer seien die beste Werbung für den Verband.
Turnfestbotschafter Fabian Hambüchen wird wohl kaum Zeit haben, sich groß unter die Turnfestgemeinde zu mischen. Gleich zu Beginn der Festtage tritt der deutsche Reck-Weltmeister gegen sieben internationale Gegner an. Die besten Geräteturner messen sich bei der ersten Station der Champions Trophy im Rahmen des Turnfests. Danach folgen für den 21-Jährigen die deutsche Meisterschaft im Geräteturnen sowie Auftritte bei den Galas.
Autor: Julian Rohn
Redaktion: Arnulf Boettcher/Wim Abbink