Ärger um US-Militärbasis in Agadez
23. November 2016Dreimal so lang wie früher braucht Fatima heute für den Weg zum Markt in Agadez. Sie lebt mit ihrer Familie im Vorort Tasakantalam und fährt jeden Tag in die 180.000-Einwohner-Stadt, um Kamelmilch zu verkaufen. Seit die USA nahe Agadez eine Drohnenbasis bauen, braucht Fatima anderthalb Stunden für eine Strecke. "Wir müssen jetzt oft in Agadez übernachten, ob wir wollen oder nicht. Die Kinder müssen dann alleine zuhause bleiben". Ohne den Markt, sagt sie der DW, könnten sie und ihre Familie nicht überleben.
"Ich komme aus Agadez und sehe jeden Morgen um sieben Uhr die großen Maschinen", beschwert sich Ibrahim Manzo. "Sie landen hier, fliegen wieder los. Niemand weiß, was sie transportieren." Wie weit die Bauarbeiten fortgeschritten sind, kann auch Adam Moore von der University of California in Los Angeles nicht genau sagen. Er forscht zum militärischen Engagement der USA in Afrika. "Auf Satellitenaufnahmen von Agadez kann man südlich der Start- und Landebahnen eine Art Komplex erkennen, etwa 500 mal 500 Meter groß. Das ist schon ziemlich groß."
Gerade im Gegensatz zu dem, was er "Pop-Up-Operations" nennt: In der Vergangenheit habe das US-Militär vermehrt auf kleine und kurzfristige Operationen gesetzt. "Dagegen legt das, was in Agadez entsteht, eine gewisse Langfristigkeit nahe - auch weil für die Entwicklung so viel Geld ausgegeben wird", sagt Moore.
Ein Millionen-Projekt
100 Millionen US-Dollar - so viel zahlen die USA laut Recherchen des investigativen Online-Magazins "The Intercept" für den Aufbau ihres Stützpunktes bei Agadez. Damit lägen die Kosten doppelt so hoch wie vom US-Verteidigungsministerium angegeben. Pentagon-Sprecherin Michelle Baldanza schätzte die Ausgaben laut Nachrichtenagentur AFP auf 50 Millionen US-Dollar. Sie betonte außerdem, die neue Basis sei kein US-Posten, sondern bliebe in nigrischem Besitz.
Niger ist für die USA und ihre Verbündeten strategisch wichtig im Kampf gegen den internationalen Terrorismus: Vor allem die Nachbarländer Mali, Nigeria und Libyen sind Rückzugsorte von Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI), Boko Haram oder der Terrormiliz IS. Moore vermutet, dass die USA von Agadez aus Drohnen für Aufklärungsflüge in die nördlichen Teile des Landes und in den Süden Libyens schicken werden.
"Diese Gebiete kann man von Agadez aus viel besser überwachen. Das ist der große Vorteil gegenüber der Hauptstadt Niamey", sagt Moore. Von dort aus hat das US-Militär die Region bislang ausgespäht. Laut Informationen der "Washington Post" ist ebenfalls eine Drohnen-Basis in Tunesien geplant - von dort im Norden und Agadez im Süden ließe sich eine bisher bestehende Überwachungslücke über einem Teil der Sahara möglicherweise fast komplett schließen, vermutet Moore.
Niger als Zentrum der Terror-Bekämpfung
Schon 2014 hatte Nigers Präsident Mahamadou Issoufou seine Zustimmung zur Basis in Agadez gegeben - zu Überwachungs- und Aufklärungszwecken. Könnten von hier aus auch völkerrechtlich umstrittene Angriffe mit Drohnen geflogen werden? Ja, sagt Moore. "Aber die Frage ist, ob die Regierung im Niger das erlauben würde. Das ist immer ein heikles Thema."
Neben der bestehenden Basis in Niamey und der Baustelle in Agadez gebe es zudem einen weiteren Einsatzort der USA, über den jedoch nicht viel bekannt sei, sagt Moore. Seit mindestens einem Jahr sei eine Basis für Spezialkräfte in Arlit in Betrieb, etwa 250 Kilometer nördlich von Agadez.
Unter dem Deckmantel solcher Spezialkräfte oder über Subunternehmen liefen viele US-amerikanische Aktivitäten im Ausland ab, sagt Moore. Washington sei in den letzten zehn Jahren sehr zurückhaltend mit direkter Präsenz auf dem Kontinent gewesen. "Doch jetzt bauen sie in Agadez diese große Basis, die sich kaum verstecken lässt", sagt Moore. "Das zeigt, dass es sehr gute Beziehungen zur nigrischen Regierung gibt, und dass Niger dabei ist, zum Zentrum der Terrorismusbekämpfung in Nord- und West-Afrika zu werden."
"Wir wollen sie hier nicht haben"
Er schätzt, dass sich das Land zum zweitwichtigsten militärischen Partner der USA in Afrika entwickeln könnte - gleich nach Dschibuti, wo das amerikanische Militär mit dem Camp Lemonnier seinen größten Stützpunkt unterhält. Wie wird sich die Afrika-Strategie unter dem zukünftigen Präsidenten Donald Trump weiterentwickeln? "Schwer zu sagen", sagt Moore. "Das wird auch von seinen Beratern abhängen."
Dass ihre Stadt eine so wichtige Rolle im Kampf gegen den internationalen Terrorismus spielen soll, gefällt vielen Anwohnern gar nicht. "Sie machen die Lage für uns hier nicht sicherer. Im Gegenteil: Sie ziehen uns in einen Krieg hinein, der nicht unserer ist!", sagt Lawali Oudou. Auch Ibrahim Manzo sieht das ähnlich: "Wir wollen diese Leute hier im Niger nicht haben." Wie die beiden Männer denken viele. Sie fühlen sich übergangen, weil der Präsident allein über die Präsenz der ausländischen Militärs entschieden hat - ohne die Bürger oder das Parlament einzubeziehen.
Deutscher Stützpunkt in Niamey
Neben den USA ist auch Frankreich militärisch in Niger präsent - im Rahmen seiner Anti-Terror-Operation Barkhane teilt es sich den Stützpunkt in Niamey mit den USA und unterhält außerdem zwei weitere Stützpunkte im Land.
Auch die Bundeswehr ist seit April dieses Jahres in Niger. Auf dem internationalen Flughafen der Hauptstadt hat sie einen Lufttransport-Stützpunkt errichtet - um die deutschen Truppen zu unterstützen, die im Rahmen der UN-Mission Minusma im benachbarten Mali stationiert sind. Etwa 40 deutsche Soldatinnen und Soldaten seien zurzeit in Niamey, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Kritik aus der Bevölkerung sei ihm nicht bekannt: "Die deutschen Soldatinnen und Soldaten fühlen sich in Niamey gut aufgehoben", so der Sprecher.
Mitarbeit: Tilla Amadou