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Auschwitz-Wachmann Hanning: Schuldig oder nicht?

Florian Nusch16. Juni 2016

In Detmold soll das Urteil über einen ehemaligen Auschwitz-Wachmann fallen. Reinhold Hanning wird Beihilfe zum Massenmord vorgeworfen. Er könnte der Letzte sein, der wegen der Nazi-Gräuel zur Rechenschaft gezogen wird.

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Vor Gericht: der frühere Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa/B. Thissen

Konnte man als SS-Mann im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau sein, ohne sich des hunderttausendfachen Mordes zumindest mitschuldig zu machen? Seit Februar diesen Jahres versucht das Landgericht Detmold, auf diese Frage eine Antwort zu finden - mehr als 70 Jahre nach Ende der NS-Diktatur.

Deutschlands Justiz ließ Menschen wie Reinhold Hanning jahrzehntelang unbehelligt. Von etwa 6000 nach dem Krieg noch lebenden Auschwitz-Bediensteten wurden nur etwa 800 verurteilt - die meisten vor polnischen Gerichten. In der Bundesrepublik waren es ganze 43. Lange galt hierzulande die Auffassung: Nur wem eine direkte Beteiligung an Tötungen oder Misshandlungen nachgewiesen werden konnte, musste sich vor Gericht verantworten - ein Nachweis, der nur selten erbracht werden konnte.

Besser spät als nie

Die Wende kam erst 2011: Auch ohne solch einen Nachweis verurteilte das Landgericht München den früheren SS-Mann John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in Tausenden Fällen. Für das Gericht reichte es damals aus, dass Demjanjuk im Vernichtungslager Sobibór als Wachmann eingesetzt war. Allerdings wurde das Urteil nie rechtskräftig. Demjanjuk starb, bevor der Bundesgerichtshof über dessen Revision entscheiden konnte.

So wie zuvor schon John Demjanjuk sieht sich auch Reinhold Hanning selbst nur als "kleines Rad im Getriebe". 1942 sei er "zum Innendienst" nach Auschwitz versetzt worden, nachdem er bei einem Fronteinsatz verwundet worden war. Als Mitglied des Wehrbataillons sollte der damals 20-Jährige sicherstellen, dass kein Häftling flieht. Hanning hat zugegeben, schon früh von dem Massenmord gewusst zu haben. Selbst daran beteiligt gewesen, sei er allerdings nie - auf diese Feststellung legen Hanning und seine Anwälte großen Wert.

"Vernichtung durch die Lebensverhältnisse"

Am Ende aber könnte das völlig unerheblich sein. Denn die Kammer in Detmold hat bereits durchblicken lassen: Der Massenmord in Auschwitz war mehr als das Selektieren auf der Rampe oder das Einleiten von Zyklon B in die Gaskammern. Er umfasse auch die "Vernichtung durch die Lebensverhältnisse", wie es in der Anklageschrift heißt. Mit anderen Worten: Durch die harte Arbeit bei nur unzureichender Ernährung wurden Tausende Häftlinge systematisch ermordet - nicht nur durch den Einsatz von Revolverkugeln oder Giftgas.

Als Wachmann hat Reinhold Hanning geholfen, die Mordmaschinerie von Auschwitz am Laufen zu halten. Während des Prozesses räumte er seine moralische Schuld ein: "Ich bereue zutiefst, einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben, die für den Tod vieler Menschen verantwortlich ist. Ich schäme mich dafür, dass ich Unrecht sehenden Auges habe geschehen lassen.“

Am Freitag entscheidet sich, ob sich Hanning auch im juristischen Sinne schuldig gemacht hat.