Pflicht zur Gegenleistung
6. Februar 2012Die Vertreter der Europäische Kommission haben bei Griechenland lange eine Engelsgeduld gezeigt. Und sie legen sich auch meist eine sehr zurückhaltende Wortwahl auf. Mit beidem scheint es langsam vorbei zu sein. Seit Monaten verhandeln die EU, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds mit der griechischen Regierung über ein zweites Hilfspaket. Doch noch nicht einmal die Verpflichtungen des ersten Pakets hat Griechenland vollständig umgesetzt. Hinzu kommen Zweifel auf, ob sich auch alle Parteien nach den Neuwahlen an die Zusagen gebunden fühlen. Vor allem der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, bekämpft inzwischen ganz offen neue Sparmaßnahmen, die die internationalen Gläubiger von Griechenland verlangen. Verhandlungen der Parteiführer, die die Übergangsregierung von Lukas Papademos tragen, führten auch am Wochenende zu keinem Ergebnis.
Solidarität oder Staatsbankrott
Die Frist für eine Einigung sei bereits überschritten, sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj am Montag (06.02.) in Brüssel. "Der Ball liegt im Feld der griechischen Behörden". Vor allem wies Altafaj mit ungewöhnlich scharfen Worten darauf hin, dass Griechenland eine Gegenleistung für die Hilfe bringen müsse. Griechenland lebe schon sehr lange über seine Verhältnisse. “Die normale Folge einer solchen Situation müsste eigentlich der Staatsbankrott sein.“ Doch Griechenland profitiere “von einer beispiellosen Solidarität seiner Partner. Ich weise daher kategorisch jede Darstellung zurück, die den Eindruck erzeugen soll, irgendjemand zwinge Griechenland hier etwas auf." Vor allem der letzte Satz dürfte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel freuen. Sie sieht sich in jüngster Zeit verstärkt von dem Vorwurf konfrontiert, sie setze sich rücksichtslos gegenüber Griechenland durch.
Viel höherer Mindestlohn als in Portugal
Altafaj nannte verschiedene Bereiche, in denen Griechenland aufholen muss. Manche Wirtschaftszweige seien immer noch weitgehend vom Wettbewerb abgeschottet. Und Griechenland lebe auch beim Mindestlohn weit über seine Verhältnisse. Durch 14 Monatszahlungen betrage der griechische Mindestlohn monatlich eigentlich 870 Euro pro Monat. “Zum Vergleich: In Portugal (das ebenfalls Hilfe bekommt) beträgt der Mindestlohn 566 Euro im Monat und in Spanien 748 Euro“. Die Kommission habe zwar nicht vor, den Mindestlohn in Europa zu harmonisieren. Doch Griechenlands sehr schwache Wettbewerbsfähigkeit passt einfach nicht zu diesem Mindestlohn, findet die Kommission, daher gehörten solche Zahlen auch in diesen Zusammenhang. Sonst geben Kommissionsmitglieder gar keinen Kommentar zu Themen ab, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen. Auch an dieser Bemerkung zum Mindestlohn sieht man daher, wie sehr die Geduld der Kommission strapaziert ist.
Ausstieg aus dem Euro keine Arbeitsgrundlage
Altafaj sagte indirekt, die Griechen hätten ihre Schwierigkeiten niemand anderem als sich selbst zuzuschreiben. Sie seien “nicht von der Troika oder vom Euro ausgelöst worden.“ Die Krise habe nur “chronische Probleme verschlimmert, die schon viele Jahre in der griechischen Wirtschaft vorhanden waren." "Sehr wahrscheinlich" wollen sich die griechischen Parteiführer nun am Dienstag (07.02.2012) treffen, um über die Sparmaßnahmen zu beraten. Sicher scheint es also nicht. Und der Aufruf griechischer Gewerkschaften zu einem neuen Generalstreik ebenfalls am Dienstag dürfte die internationalen Geldgeber ebenfalls nicht gerade günstiger stimmen. Altafaj betonte, die Kommission arbeite nicht mit einem Austrittsszenario Griechenlands aus der Währungsunion. Doch es sei kein Geheimnis, dass manche Akteure solche Dinge durchspielten. Die Kommission tue alles, um "ein anderes Ergebnis zu erzielen". Impliziert sollte das wohl heißen: Wenn Griechenland nicht mitspielt, bleibt vielleicht nichts anderes übrig. Aber ein solcher Satz würde einem Kommissionssprecher wohl nie über die Lippen kommen.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Thomas Latschan