Merkel will für EU-Vertragsänderung kämpfen
27. Oktober 2010Angela Merkel geht es um einen neuen "Krisenbewältigungsrahmen". Dieses Wort-Ungetüm führte die Bundeskanzlerin am Mittwoch (27.10.2010) bei ihrer Regierungserklärung an, in der sie für eine Neu-Verhandlung der europäischen Verträge warb. Der neue Rahmen müsse robust sein, diene zur Vorsorge und dürfe nicht nur irgendein Papier sein.
Merkel: Paris und Berlin übernehmen Führung
Mit Forderungen wie diesen trat Merkel die Flucht nach vorn an in einer Debatte, in der sie gemeinsam mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy weitgehend isoliert dasteht. Beide Regierungschefs hatten unter anderem gefordert, Defizit-Sündern unter den Mitgliedstaaten das Stimmrecht zu entziehen. Ein weiterer Wunsch: Sanktionen für Verstöße gegen den Stabilitätspakt soll es künftig nur geben, wenn dies eine Mehrheit der Staaten gutheißt.
Was viele Beobachter als europapolitischen Scherbenhaufen ansehen, streifte die Kanzlerin im Parlament nur mit einem Bonmot: Eine deutsch-französische Einigung sei noch nicht alles in Europa, aber ohne eine deutsch-französische Einigung sei vieles nichts. Kein Wort zu ihren Motiven, den Plan einer Vertragsänderung nicht mit weiteren EU-Partnern abzusprechen als nur mit Frankreich. Kein Wort auch dazu, was es für das Selbstverständnis eines EU-Mitgliedslandes heißen würde, sein Stimmrecht aufgrund von Verschuldung zu verlieren. Stattdessen gab Merkel sich wieder als die Vorkämpferin und Reformerin, als die sie sich häufig darstellt. Eine Änderung der europäischen Verträge werde schwer durchzusetzen sein, aber deswegen werde sie nicht weniger notwendig, erklärte die Kanzlerin. Berlin und Paris hätten gemeinsam die Führung übernommen, um die Währungsunion langfristig auf ein stabiles Fundament zu stellen.
Vertragsänderungen bis 2013
Doch genau das nehmen viele Kritiker Merkel und Sarkozy nicht ab. Der Vorschlag, Sanktionen gegen Defizitsünder künftig nicht automatisch, sondern nur nach Mehrheitsentscheidungen im Kreis der Regierungschefs zu verhängen, öffne diplomatischen Ränkespielen Tür und Tor, lautet die Befürchtung nicht nur in den nordischen Ländern. Doch auf diese inhaltliche Kritik ging die Kanzlerin in ihrer Rede nicht ein. Es sei eben wenig Zeit bis zum Sommer 2013, wenn die Neuregelung rechtlich gültig sein müsse. Denn Deutschland und Frankreich wollen unter allen Umständen verhindern, dass die derzeit gültigen Vereinbarungen zu den Finanz-Rettungsschirmen über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert werden.
Auch für den Klimaschutz als weitere wichtige Aufgabe der Gegenwart fand Merkel am Rande ihrer Rede Worte, ohne jedoch etwas Genaues zu versprechen oder zu fordern. Beim Klimagipfel im Dezember in Cancún sei kein Durchbruch zu erwarten, betonte Merkel. Cancún könnte aber zeigen, dass Fortschritte möglich seien.
Autor: Christian Fähndrich (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Martin Schrader