OECD fordert von Deutschland Investitionen in die Zukunft
14. Februar 2012Ohne Reformen droht Deutschland schon in wenigen Jahren der wirtschaftliche Abstieg. Davor warnt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in ihrem Länderbericht für Deutschland. Bei normaler Auslastung der Produktionskapazitäten sei ab 2020 nur noch ein Wachstum von weniger als einem Prozent drin. In den 34 Industriestaaten, die sich in der OECD zusammengeschlossen haben, sei im Schnitt ein doppelt so hohes Plus möglich. Zur Gefahr werde vor allem der absehbare Mangel an Arbeitskräften. Um den Lebensstandard zu halten, müssten die Deutschen mehr arbeiten, empfiehlt die OECD.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wertet den jüngsten OECD-Bericht als Beleg für die Notwendigkeit, mehr zur Stärkung des Wachstums zu tun. "Wir müssen die Wachstumskräfte in unserem Lande weiter stärken, indem wir die Erwerbsbeteiligung erhöhen und die Zuwanderung qualifizierter Menschen aus anderen Staaten weiter verbessern", sagte Rösler, nachdem er den Bericht von OECD-Generalsekretär Angel Gurría erhalten hatte. Angesichts der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung seien solche Schritte notwendiger denn je.
Erwerbsbevölkerung schrumpft
Von 2016 bis 2025 wird die Zahl der Erwerbsfähigen im Schnitt um 0,5 Prozent pro Jahr abnehmen, prognostizieren die Experten der in Paris ansässigen Organisation. Ist heute noch jeder zweite Deutsche zwischen 15 und 64 Jahre alt, dürfte es 2035 nur noch jeder vierte sein. "Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft viel schneller als im Durchschnitt der OECD-Länder", heißt es in dem Bericht.
Die Organisation empfiehlt, ältere Arbeitnehmer länger in Beschäftigung zu halten. Wer älter als 58 ist, sollte nicht mehr für 24 Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld erhalten, was das vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben erleichtere. Die Unternehmen wiederum müssten in die Qualifizierung Älterer mehr investieren. In Deutschland nehme nicht einmal jeder Dritte Arbeitsnehmer zwischen 55 und 64 Jahren an Fortbildungsmaßnahmen teil, in Schweden seien es doppelt so viele.
Steuersystem ändern
Die Organisation empfiehlt außerdem, mehr Frauen in Lohn und Brot zu bringen. Sie arbeiten im Schnitt zehn Stunden pro Woche weniger als Männer. Eine Mitschuld daran trägt den Experten zufolge das Steuersystem. Es begünstige Familien mit nur einem Verdiener, der in der Regel der Ehemann ist. Fehlende Kindertagesstätten wiederum hinderten Mütter daran, in den Beruf zurückzukehren. Nur für 18 Prozent der Kinder bis zwei Jahre steht ein Betreuungsplatz zur Verfügung. Der OECD-Schnitt liegt etwa doppelt so hoch.
Das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld - das ab 2013 Eltern erhalten, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken - sei deshalb kontraproduktiv. "Die Regierung sollte das Geld stattdessen dafür ausgeben, qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsplätze zu schaffen", raten die Experten.
wen/li (rtr, dpa, dapd,)