Meilenstein der Architekturgeschichte
16. Mai 2014Mit Böllerschüssen, tausenden Brieftauben und einem Hoch auf den Kaiser eröffnete am 16. Mai 1914 die erste Deutsche Werkbundausstellung in Köln. Architekten, Künstler, Industrielle und Handwerker waren Mitglieder des Werkbunds. Sie wollten nicht nur Bauwerke und Gebrauchsgegenstände von hoher Qualität entwickeln, sondern auch den Alltag neu gestalten. Zwei Jahre hatten sie auf diesen Tag hin gearbeitet.
Die Ausstellung in Köln war die erste gemeinsame Leistungsschau, in der Architekten wie Walter Gropius, Peter Behrens, Hermann Muthesius und Henry van de Velde den Aufbruch in die Moderne zum Ausdruck bringen wollten. Die Vision des Werkbunds war es, die "Maschine als Helfer zur Qualitätsleistung" einzusetzen, wie es der belgische Architekt Henry van de Velde ausdrückte. Die Vereinigung von Kunst und Industrie sollte alle Lebensbereiche reformieren. Die Maschine sollte nicht länger nur Billigwaren produzieren, sondern hochwertige Produkte herstellen. Gestaltung und Kunsthandwerk waren die neuen Ressourcen, um 'Made in Germany' weltweit zu einem Qualitätssiegel zu machen.
Fusion von Kunst und Industrie
Das Deutsche Reich litt damals unter dem Gefühl, in der Welt mangels Kolonien keine Rolle zu spielen. Die neue Gestaltung und das neue Bauen sollten dieses Defizit ausgleichen. Qualität war ein zentraler Leitgedanke des Deutschen Werkbunds. Für die Mitglieder waren die selbstverliebten Schnörkel des Jugendstils ein Graus. Diese erfüllten keinen Zweck, hatten keinen Nutzen, waren rein dekorativ. Der Mitglieder des Deutschen Werkbunds sagte dem Ornament den Kampf an. Aber auch die minderwertigen und lieblos zusammengeschusterten Waren der Industrialisierung fanden keine Gnade vor ihren Augen. Die Kölner Werkbundausstellung bot die Möglichkeit, erstmals die Innovationen der Öffentlichkeit vorzustellen. Ein repräsentativer Unterstützer war Konrad Adenauer, der spätere Bundeskanzler.
Vom Sofakissen bis zum Städtebau
An die 80 Gebäude wurden auf der rechten Rheinseite auf Zeit errichtet. Vom Sofakissen bis zum Städtebau, so wie es Hermann Muthesius als einer der Hauptinitiatoren formulierte, sollten alle Formen der neuen Gestaltung in neuem Glanz erscheinen. Es entstanden eine Festhalle, gebaut von Peter Behrens, Restaurants, Cafés und es gab Gebäude, die rein für die Schau in Betrieb genommen wurden.
Walter Gropius baute für die Werkbundausstellung eine Musterfabrik. Ihre Glasfassade war leicht und transparent. Produziert an Ort und Stelle hat sie nichts. Sie war nur Modell für Gropius' innovative Verwendung von Glas und Eisen, aber auch die Trennung von Bürokomplex und Maschinenhalle - von geistiger und handwerklicher Arbeit. Carl Rehorst, 1914 Kölns Baudezernent, äußerte sich begeistert über Gropius' Entwurf. Die Besucher sollten sehen, "wie die Maschine die Formgebung beeinflusst, wie sie formbildend wirkt und wie sie mehr und mehr auch in die kleinste Werkstatt Eingang finden muss, um die kostspielige Menschenkraft zu schonen."
Neues Bauen, neuer Stil
Drei Gebäude blieben bis heute besonders im Gedächtnis haften: Dazu gehörte neben Gropius' Musterfabrik auch der Glaspavillon von Bruno Taut, ein Rundbau, der an einen Tannenzapfen aus Kristall erinnerte. Eine Neuheit war, dass Taut Glas als Baustoff verwendete. Der Architekt arbeitete eng mit der Glasindustrie zusammen und wollte den Beweis antreten, dass Glas auch stabil ist. Visionär war auch der Theaterbau vom belgischen Architekten Henry van de Velde. Um das Gebäude wurde im Vorfeld heftig gestritten. Hermann Muthesius, Vorsitzender des Werkbunds, war von dem Projekt nicht begeistert, er wünschte sich ein Kino. Van de Velde erhielt aber Rückendeckung nicht nur von Walter Gropius und Bruno Taut, sondern auch von dem Industriellen Karl-Ernst Osthaus aus Hagen. Osthaus war ein begeisterter Förderer des Werkbunds. Er und die anderen erkannten, dass Henry van de Veldes Plan, die Trennung von Zuschauer- und Bühnenraum aufzuheben, visionär war.
Legendärer Streit des Werkbunds
Auf der Jahrestagung anlässlich der Eröffnung der Werkbundausstellung kam es zu einem legendären Schlagabtausch zwischen Hermann Muthesius und Henry van de Velde. Es ging um serielle Fertigung auf der einen Seite und individuelle Herstellung auf der anderen. Van de Velde fürchtete, dass Künstler durch die Serien-Produktion ihre persönliche Freiheit verlieren würden und ihre kreativen Fähigkeiten zu sehr der Maschine unterordnen müssten. Mehrere Tage dauerte der Streit. Zu einer Lösung kam es nie. Der Erste Weltkrieg beendete abrupt die Werkbundausstellung. Nichts blieb erhalten von der Schau. Im Kölner Stadtbild wurden alle Spuren ausgelöscht. Nun, 100 Jahre später, gibt der Werkbund Nordrhein Westfalen den Katalog der Ausstellung von 1914 als Reprint neu heraus - damit die Verdienste der Visionäre nicht in Vergessenheit geraten.