Kulturhauptstadt ohne künstlerische Leitung
3. Januar 2006Als Begründung für den Rücktritt nannte Mikroútsikos organisatorische Fehler, berichtete die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur ANA. Außerdem warf Mikroútsikos der Stadt Patras vor, nicht rechtzeitig die Gelder für viele Veranstaltungen herausgegeben zu haben. Deshalb drohten viele Veranstaltungen zu platzen, hieß es.
Der Rücktritt kam nicht überraschend. Seit Monaten gab es
Informationen über Streitigkeiten zwischen dem Bürgermeister, dem Präfekten der Region und der Führung des Organisationskomitees. Die Presse von Patras kritisierte seit Monaten die "Tatenlosigkeit" der Verantwortlichen, Werbung für Patras zu machen und die Veranstaltungen der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die ersten Auswirkungen zeigten sich bereits in der Silvesternacht. Es
gab keine Feierlichkeiten für den Beginn des Jahres der
Kulturhauptstadt.
Volles Programm
Patras plant für dieses Jahr Kulturveranstaltungen in sechs Themenbereichen. Neben einer großen Ausstellung zu Leonardo da Vinci gibt es auch antike griechische Dramen auf der Bühne, mit Tragödien und Komödien in einem römischen Amphitheater (19. Mai bis 4. Juni). Ein weiteres Thema sind im November Kunst und Religion mit byzantinischen Ikonen und Malerei. Vom 27. April bis 13. Mai gibt es Poesie und Musik. Junge Interpreten sollen ihr Können präsentieren. "Wir wollen junge Leute, weil sie die Zukunft der europäischen Kultur sind", betont Mikroútsikos. Höhepunkt des Kulturprograms in Patras wird der Karneval sein, der sechs Wochen lang - von 21. Januar bis 5. März - gefeiert wird.
Nach Cork
Mit der offiziellen Eröffnung des Kulturjahres am 10. Januar tritt Patras die Nachfolge der irischen Hafenstadt Cork an, Europas Kulturhauptstadt 2005. Cork mit seinen 123.000 Einwohnern war eine der kleinsten Städte, denen der 1985 von der EU geschaffene Titel zuerkannt worden war. Trotz eines relativ bescheidenen Budgets von 13,5 Millionen Euro stellten die Iren mehr als 4000 Veranstaltungen vor allem aus den Bereichen Film, Literatur, Theater und internationale Folklore auf die Beine.
Patras im äußersten Nordwesten der Halbinsel Peloponnes ist mit 164.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Griechenlands und mit mehr als 20.000 Studenten auch eine der wichtigsten Universitätsstädte des Landes. Vor allem das Nachtleben ist in ganz Griechenland berühmt. Hunderte kleine Tavernen und Cafes findet der Besucher rund um den Psilalonia-Platz. Die Menschen sitzen bis in die frühen Morgenstunden draußen.
Zielrichtung Tourismus
Durch die Stadt verläuft eine der ersten Schmalspur-Eisenbahnverbindungen Griechenlands, die Athen mit Patras verbindet. Die "Patrinoi", wie sich die Einwohner nennen, sind auch auf andere Bauten stolz: 2004 wurde eine der längsten Hängebrücken Europas eingeweiht. Die als Jahrhunderttraum der Griechen bezeichnete 2,5 Kilometer lange Brücke verbindet den Südwesten des Festlandes mit dem Nordwesten der Peloponnes.
Zehntausende Touristen reisen jedes Jahr aus Italien per Fähre nach Griechenland. Sie bleiben jedoch meist nicht in Patras, sondern reisen weiter nach Olympia oder in den Süden der Peloponnes. Das große Kulturprogramm soll die Attraktivität der Stadt nun steigern. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Einer Umfrage zufolge wussten selbst von 1000 Griechen nur 16 Prozent, dass Patras Kulturhauptstadt Europas 2006 ist. (kas)